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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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eine sorgfältig durchgeführte Schulung vonnöten, und das sollte ruhig die Zeit in Anspruch nehmen, die solche Dinge eben brauchten, wenn sie der Mühe wert waren.
    Danach war er in die Küche gegangen, hatte Frühstück gemacht, den Tisch am Aussichtsfenster gedeckt und sich bei allem große Mühe gegeben. Als alles fertig war, hatte er sie mit einem Kuss auf die Stirn geweckt, und jetzt saß sie ihm gegenüber. In einem viel zu großen Bademantel, noch verschlafen, mit zerzausten Haaren und nacktem, ungeschminktem Gesicht. Und sie sah überrascht und begeistert aus, als ihr aufging, dass die Tasse vor ihr weder Kaffee noch Tee enthielt.
    »Kakao mit Schlagsahne«, kicherte die kleine Jeanette. »Ach, wie lecker. Ich glaube, das habe ich zuletzt als Kind getrunken.«
    Das ist ja auch der Sinn der Sache, dachte Waltin und streichelte leicht ihren Nacken.
    »Ich wollte dich heute Abend zum Essen einladen«, sagte Waltin und ließ seinen Daumen in ihrem Nacken ruhen. »Am liebsten würde ich den ganzen Tag mit dir verbringen«, fügte er hinzu, und zwar mit genau dem richtigen bezaubernd bedauernden Lächeln, »aber leider muss ich erst noch gewisse Dinge erledigen, ehe wir uns entspannen können.«
    Die kleine Jeanette nickte mit ernster Miene. Genau wie ein Kind, dem aufgeht, dass es gerade etwas Wichtiges erfahren hat.
    »Wir machen das jetzt so«, sagte Waltin und verflocht seine kräftigen braunen Finger mit ihren nur halb so großen. »Du gehst nicht mehr zurück ins Studentenwohnheim. Aber du behältst M’Boye im Auge, damit der dich in nichts hineinziehen kann. Kannst du ihn anrufen?«
    »Er wollte mich heute Vormittag zu Hause anrufen«, sagte Jeanette. »Er hat kein eigenes Telefon. Es gibt nur das gemeinschaftliche auf dem Gang.«
    »Das darfst du nicht benutzen«, sagte Waltin. »Halt dich bedeckt. Behalte M’Boye im Auge. Sorg dafür, dass er keinen Ärger macht. Schaffst du das?« Waltin lächelte warm und drückte ihre Hand.
    Jeanette nickte.
    »Gut«, sagte Waltin. »Und ich finde heraus, worum es bei dieser traurigen Geschichte eigentlich geht.«
    Zuerst war er mit Hedberg in der kleinen Wohnung in Gärdet verabredet, die er für ihn besorgt hatte. Hedberg machte einen frischen und ausgeruhten Eindruck und bot frisch aufgebrühten Kaffee an. Waltin beschloss, erst einmal nichts von Krassners Selbstmord zu erzählen.
    »Also los«, sagte er und nippte an dem heißen Kaffee.
    Hedberg hatte nicht viel zu berichten. Er hatte gesehen, wie Krassner gegen halb sieben das Studentenwohnheim verließ, und als ihm fünf Minuten darauf per Funk grünes Licht erteilt worden war, hatte er sich an die Arbeit gemacht. Eine Stunde später war er fertig gewesen und hatte seinen Kram eingepackt, war gegangen, nach Hause gefahren, hatte Waltin angerufen und Bericht erstattet.
    »Ein kleines verdrecktes Studentenloch, besonders viel Kram hatte der nicht. Ein paar Papiere, und die hast du hier.«
    Hedberg nickte zu den drei Filmrollen auf dem Tisch hinüber.
    »Jaa, und was sonst noch?« Er schien gründlich nachzudenken. »Hinter dem Badezimmerschrank hatte er ein paar Marihuanazigaretten versteckt. Die hab ich ihm gelassen.« Hedberg grinste.
    »Was hattest du für einen Eindruck von ihm?«, fragte Waltin. »Als Mensch, meine ich.«
    »Eindruck?«, sagte Hedberg. »Na ja, ich hatte den Eindruck, dass der Bewohner dieses Zimmers leicht daneben war. Sah aus wie das übliche Drogennest. Überall lag irgendein Kram rum, die Bettwäsche lag als Knubbel am Bettende. Dir hätte es bestimmt nicht gefallen«, sagte Hedberg mit leichtem Lächeln.
    Aber, aber, dachte Waltin, der Intimitäten auch dann nicht schätzte, wenn sie von einem so geschätzten Mitarbeiter wie Hedberg kamen. »Leicht daneben, sagst du?«
    »Wie ein ziemlich gestörter Junkietyp«, sagte Hedberg und nickte. »Diese Türmarkierung, den Zettel auf der Tür, hab ich zum Beispiel sofort gefunden.«
    »Und du hast ihn zurückgelegt, als du gegangen bist?«, fragte Waltin.
    »Alles genau, wie es sich gehört«, sagte Hedberg und lächelte wieder.
    »Keine Komplikationen?«, fragte Waltin leichthin und scheinbar gleichgültig.
    »Na ja«, sagte Hedberg. »Nur die eine Sache, dass nach sieben noch jemand im Gang war. Kurz danach habe ich gehört, wie jemand ins Treppenhaus hinausging. Dann kam gleich darauf jemand rein und machte sofort wieder kehrt. Ich hatte den Eindruck, dass es derselbe war, er hatte etwas vergessen und wollte es holen.«
    M’Boye, dachte

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