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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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»Die waren sich ähnlicher als ein Ei dem anderen.«
    »Ich versteh das immer noch nicht«, beharrte Johansson.
    »Und du willst Polizist sein«, seufzte der große Bruder. »Die können keine Distanz halten«, erklärte er. »Dieser verdammte Verkäufer war so klebrig wie ein verdammtes Lutschbonbon, ohne auch nur darum gebeten worden zu sein, und der arme Wicht, den wir eben mit seinem gut geschmierten Mundwerk im Fernsehen erlebt haben, kann lebenslange Feindschaft mit irgendeinem Giftpilz riskieren, wenn er dafür nur das letzte Wort behält. Während er doch klug genug sein sollte, einfach die Klappe zu halten und zu nicken und zuzustimmen, wo ja ohnehin alle wissen, dass er es besser weiß.«
    Endlich, dachte Johansson.
    »Ich verstehe, was du meinst«, sagte er. »Hat er denn Autos verkauft?«
    »Das eine oder andere sicher«, sagte Johanssons Bruder und zuckte mit den Schultern. »Ich habe ihn gefeuert. Geht verdammt noch mal nicht anders, wenn man davon leben muss«, fügte er hinzu und trank einen großzügigen Schluck. »Da braucht man solche, die nicht so ähnlich sind, meine ich.«
    Ich verstehe genau, dachte Johansson, der einen Kurs gemacht und dort dasselbe gehört hatte, wenn auch anders ausgedrückt.
    Krassner, dachte er. Ich muss irgendwas mit diesem Arsch Krassner machen.
    »Ich müsste zwei Tage arbeiten«, sagte Johansson. »Hast du hier irgendwo einen freien Schreibtisch?«
    »Du kannst ins Gartenhaus gehen«, sagte Johanssons Bruder. »Da stört dich niemand.«
    Wenn man schon etwas machen muss, dann macht man es lieber gleich richtig, dachte Johansson oft, und so hielt er es auch diesmal, obwohl er mit gemischten Gefühlen und ohne sonderliche Motivation an die Sache heranging. Am zweiten Januar hatte er Krassners Papiere ins Gartenhaus gebracht, und als er sie endlich in seine Tasche packen konnte, war der Dreikönigstag schon vorbei, und es war höchste Zeit für die Rückkehr nach Stockholm.
    Viel Freizeit hatte er zwischen seinen Sitzungen an dem geliehenen Schreibtisch auch nicht gehabt. Er hatte zwar an jedem Tag einen längeren Spaziergang unternommen, war aber in Gedanken die ganze Zeit mit Krassner und dessen Papieren beschäftigt gewesen. Bei den gemeinsamen Mahlzeiten war er immer einsilbiger geworden, und als sein Bruder plötzlich geschäftlich für zwei Tage verreisen musste, hatte er das fast als Befreiung erlebt, obwohl sie einander sonst so selten sahen.
    Zweimal hatte er nach Sundsvall in die Bibliothek fahren müssen, und er hatte mehrmals in Stockholm angerufen, dreimal hatte er mit einem immer verwirrteren Wiklander telefoniert. Aber am Tag nach Dreikönig war er so weit, er hatte sogar eine längere Aktennotiz über seine Sicht der Dinge geschrieben. Was mache ich hier eigentlich?, überlegte Johansson. Von einer regulären Ermittlung konnte ja nicht die Rede sein, auch wenn er inzwischen davon überzeugt war, dass Krassner ermordet worden war, und wenn er glaubte, eine überaus reizende Vorstellung davon zu haben, warum und wie es so weit gekommen sein konnte. Er hatte allerlei über den Ministerpräsidenten erfahren, das auch. Er wusste ungefähr so viel über ihn wie über die Täter und Opfer, deren Leben er in seiner Zeit als Ermittler untersucht hatte. Und außerdem wusste er jetzt noch allerlei, das nur wenigen bekannt war.
    Das Problem ist wohl nur, dachte Johansson, dass der Ministerpräsident im Bezug auf Krassner weder Opfer noch Täter war, egal, wie er die Sache auch drehte und wendete. Abgesehen von ihm selbst, vom Täter und von wahrscheinlich wenigen schemenhaften Figuren, deren Existenz er nur ahnen konnte, waren alle anderen unwissend, nicht nur, was dieses Detail anging, sondern im Hinblick auf die ganze Geschichte. Das findet sich schon, dachte er dann, denn er hatte bereits eine Vorstellung davon, wie er sich von Krassner und dessen Papieren befreien konnte.
    Am ersten Tag hatte er Krassners Manuskript und die übrigen Unterlagen studiert, die ihm zur Verfügung standen. Um sich einen Überblick zu verschaffen und weil er das immer so machte. Es war der allerfrustrierendste Tag von allen gewesen, und besonders ärgerte er sich über den Schreibstil des Autors. Mit Ausnahme des ersten Kapitels wurde jeder Abschnitt von einem Text eingeleitet, in dem der Autor ausführlich, in tiefem Ernst und mit unerschütterlichem Glauben an seine eigene Bedeutsamkeit, seine Gedanken und Gefühle in Bezug auf Tatsachen und Umstände darlegte, die er hernach

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