Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
aufgefallen. Um Punkt zwölf hatte er sie umarmt und von ihr einen Kuss bekommen, aber statt den zu erwidern, hatte er sie mit dem Wolfsgrinsen bedacht, das sein bester Freund Frauen zukommen ließ, wenn er Zeit zum Überlegen brauchte.
»Ich dachte, bei Rotary sind Frauen nicht zugelassen«, sagte Johansson.
»Rotary?«, fragte seine Tischdame verwirrt und mehr als nur ein wenig beschwipst. »Rotary? Du denkst sicher an die Freimaurer.«
Danach war in der großen Küche ein Abschiedsimbiss serviert worden, und obwohl sie keinen Fächer hatte, waren ihre Absichten deutlich gewesen. Was zum Teufel mache ich jetzt?, dachte Johansson, der plötzlich nicht das geringste Interesse mehr verspürte. Schon gar nicht bei seinem ältesten Bruder und dessen pfefferkuchenfarbener Frau.
»Wann bist du denn wieder in Stockholm?«, fragte Johansson ablenkend und löste seine Hand aus ihrer nur halb so großen. Die beim FBI gekaufte Baseballmütze kann ich schließlich auch anderweitig verschenken, überlegte er.
Aber am Ende fand sich alles, und ihr Abschiedskuss, ehe sie mit einigen anderen Gästen im Taxi verschwand, war kühl genug, um ihm zu verstehen zu geben, dass Reue hier keinen Zweck mehr hätte.
»Verdammt, Lars«, sagte sein Bruder übellaunig, als sie allein im großen Wohnzimmer saßen, mitten in dem von den vielen Gästen hinterlassenen Chaos. »Du baust ab.«
»Ich steh nicht auf magere Frauenzimmer«, sagte Johansson, der seinen Bruder kannte und wusste, dass seine Schwägerin schon ins Bett gegangen war.
»Was glaubst du, was ich meiner Frau immer wieder sage?«, sagte sein Bruder leidenschaftlich. »Magere Frauenzimmer sind eine Schande. Aber glaubst du, sie hört auf mich? Mitnichten.«
»Prost«, sagte Johansson, und dann konnte er endlich schlafen gehen.
Am Neujahrstag saßen er und sein Bruder nach dem Abendessen vor dem Fernseher, sie schauten träge in die Glotze, tranken Cocktails und plauderten, wie man das manchmal macht, wenn man einander gut kennt und fast alles bereits gesagt ist. In den Nachrichten gab es ein längeres Live-Interview mit dem Ministerpräsidenten. Der eigentlich wenig Besorgnis erregenden Ankündigung zufolge sollte es dabei um die Ereignisse des vergangenen und des kommenden Jahres gehen, aber schon ziemlich bald wurde nur noch über den Ministerpräsidenten selbst und sein privates Tun und Lassen gesprochen, und natürlich ging dann alles auf eine Weise schief, die sicher von Anfang an geplant gewesen war. Der Interviewer riss und zerrte am Hosenbein des Ministerpräsidenten wie ein wütender Terrier, während sein Opfer versuchte, sich mit seiner üblichen arroganten Beredsamkeit zu retten, ohne offenbar begriffen zu haben, dass dies gerade der Sinn der Sache war.
Die können ein Wort wie Weihnachtsfriede wohl nicht mal buchstabieren, die Mistkerle, dachte Johansson, der Journalisten ebenso innig liebte wie alle echten Polizisten, aber sein Bruder schien das alles ungeheuer komisch zu finden.
»Das arme Schwein«, lachte er. »Dass er es nie lernt.«
»Du wählst die Sozis doch gar nicht mehr«, sagte Johansson unschuldig.
»Stell dich nicht so an, Lars«, erwiderte sein Bruder gutmütig, streckte die Hand nach der Fernbedienung aus und drückte auf den Ausknopf. »Ich hatte einmal einen Verkäufer, der ähnelte diesem Gnom, den sie immer fertig machen müssen, so wie er sich in der Glotze zeigt, wie ein Ei dem anderen.«
»Ach«, sagte Johansson. »Wie meinst du das?«
»Er war bestimmt der reizendste Arsch auf diesem Ufer des Dalälv«, sagte Johanssons Bruder, lachte bei dieser Erinnerung und schenkte sich Whisky nach.
»Reizend?«
»Ja, er schaffte es kaum, die Motorhaube des Autos zu öffnen, das er verkaufen sollte, ehe er ihnen schon auf den Leib gekrochen war. Plapperte wie ein Wasserfall über Familie und Wetter und bot Kaffee an und überschlug sich fast, um allen zu gefallen. Aber die wollten doch nur ein Auto kaufen. Er war total unschlagbar, der Arsch.«
Klingt aber irgendwie anders, dachte Johansson. »Du musst schon entschuldigen«, sagte er. »Das liegt sicher an dem vielen Weihnachtsessen, aber ich komme nicht mit. Ich versteh’s nicht.«
»Was verstehst du nicht, Brüderchen?«, fragte Johanssons großer Bruder nachsichtig.
»Die klingen nicht gerade ähnlich«, sagte Johansson. »Dein Verkäufer und der Ministerpräsident, meine ich.«
»Er war verdammt nochmal genau wie der Ministerpräsident, nur umgekehrt«, erklärte Johanssons Bruder.
Weitere Kostenlose Bücher