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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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unsichtbarer Tinte geschriebene Mitteilungen, und keine Pferde mit wehenden Mähnen, sondern ein alter Buick V 8, der sich durch dunkle und stürmische Nächte schleppte, und wenn es Falltüren gab, dann fielen die den Leuten wohl auf den Kopf. Aber die hohlen Eichen, in denen allerlei versteckt werden konnte, waren sicherlich immer noch da. Eichen konnten nämlich unendlich alt werden.
    Es gab bestimmt sehr viel, über das man hätte schreiben sollen, dachte Johansson, denn auch das hatte er in Reader’s Digest gelesen. Zumindest die Schurken aus dem Osten besaßen Kugelschreiber, die in Wirklichkeit Pistolen waren, Regenschirme mit vergifteten Spitzen und unschuldige Spazierstöcke, die sich durch eine rasche Drehung des Handgelenks in funkelnde Degen mit rasierklingenscharfen Schneiden verwandeln ließen. Aber was hatte Pilgrim eigentlich gehabt, abgesehen von edlen Zielen und einer guten Sache?
    Er hätte einen großen Bruder gebraucht, dachte Johansson. Einen etwas schlichteren Kumpanen als meinen großen Bruder mit seinem schlauen Kopf und seinen gewaltigen Fäusten und seiner ganz unsentimentalen Fähigkeit, allen und jedem eins auf die Fresse zu geben, sowie sich dazu eine Gelegenheit ergab. Oder wie Jarnebring vielleicht? Der war zwar nicht so schlau wie Johanssons Bruder, ganz im Gegenteil, aber in einem gediegenen Handgemenge war er unschlagbar. Nicht einmal James Bond würde mit ihm fertig werden, denn Jarnebring hätte ihn am Schlafittchen gepackt und ihm dermaßen eine reingesemmelt, dass nur noch ein leeres Jackett und eine schlotternde Hose irgendeines Schneiders aus der Bond Street übrig geblieben wären und … und ungefähr an dieser Stelle schlief er ein, und als er am Morgen aufwachte, umspielte noch immer dasselbe Lächeln seine Lippen.
    Himmel hilf, dachte Johansson und lachte in seiner Einsamkeit. Pilgrim und Jarnis, was für ein Paar.
    Höchste Zeit, den Sack zuzumachen, je eher, desto besser, überlegte Johansson, da nun Sonntag war, der Tag nach Dreikönig und der Tag vor der Heimreise. Er hatte sich mit einer kurzen Dusche und einem noch kürzeren Frühstück begnügt und schon um halb sieben hinter dem großen Schreibtisch des Gartenhauses gesessen.
    Die Papierstapel vor ihm hatten abgenommen, und er hatte das meiste aussortieren können. An Dokumenten blieben nur noch ein Umschlag mit einem Brief und eine Beileidskarte mit schwarzem Rand und dreizeiligem Gedicht. Aber es handelte sich um Originaldokumente, nicht um Kopien, sie waren mit der Hand geschrieben, und Krassner zufolge stammten sie vom Ministerpräsidenten, Pilgrim, als er diesen Posten errungen hatte, und laut Krassner hatte er sie im Mai 1974 verfasst. Sie waren in Stockholm Ban. abgestempelt und per Express an Buchanans Postfach in Albany geschickt worden.
    Fast zwanzig Jahre nach seinem Abschiedsbrief, dachte Johansson. Eigentlich ein ganzes Leben, wenn man bedenkt, was inzwischen alles passiert war und was er mitgemacht hatte. Seltsam, überaus seltsam.
    Das müsste man doch überprüfen können, dachte er mechanisch, als er nacheinander Brief, Beileidskarte und Umschlag zwischen Daumen und Zeigefinger hielt und sie zugleich drehte und wendete. Vielleicht gibt es ja auch Fingerabdrücke. Die Techniker in den USA hatten schon Fingerabdrücke sichern können, die Dutzende von Jahren alt waren, das hatte er im Monatsjournal des FBI gelesen, und fast immer waren das auf Papier hinterlassene Abdrücke gewesen. Aber woher sollte ich seine Fingerabdrücke nehmen?, überlegte Johansson.
    Zuerst der Brief: Er war kurz, in Pilgrims charakteristischer, expressiv vornüber gebeugter Schrift gehalten. Wie eine Kavallerieattacke auf dem Papier, dachte Johansson und lächelte wieder. Das Briefpapier war dick und sicher teuer gewesen. Als er es ins Licht hielt, sah er das Wasserzeichen der Papiermühle Lessebo.
    Fionn,
    habe gestern von Ravens tragischem Tod gehört. Ich hoffe wirklich, dass ihr die Ärsche (i. e. bastards) erwischt, die dahinter stecken. Da ich annehme, dass du zu seiner Beerdigung gehen wirst, wäre ich dir dankbar, wenn du meinen beigefügten letzten Gruß übermitteln könntest. Frag mich nicht, warum, aber Raven hat die isländischen Sagas sehr geliebt. Pass auf dich auf (i. e. Take Care!) Pilgrim
    Dann die Beileidskarte, die im selben Umschlag gesteckt hatte.
    Wenn das hier Snorri ist, dann bin ich Japaner, dachte Johansson, als er die in schwedischer Sprache geschriebenen drei Zeilen auf der Karte las:
    »Der Tod

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