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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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verwickelt und fadenscheinig. Handfeste Beweise gab es nicht, stattdessen hatte die Krassnersche Logik Oberhand gewonnen. In seinen zwanzig Jahren bei der Polizei hatte Johansson eine Unzahl schwedischer Variationen dieses Themas gehört, sie wurden in allen polizeilichen Pausenräumen eifrig zu Gehör gebracht. Aber etwas, das sich auch nur entfernt mit dieser Geschichte hier messen konnte, hatte er noch nie gehört.
    Denn Recht soll Recht bleiben, dachte Johansson und sah zugleich die rabiatesten Figuren unter seinen ehemaligen Kollegen vor sich, die alle die Gemeinsamkeit aufwiesen, dass sie bei der Polizei einfach nichts zu suchen hatten. Russischer Spion? Ja, denn das »wussten alle«. Mörder? Nein, und das hatte auch niemand behauptet. Er selbst hatte das alles immer, und egal, wen er gewählt hatte, denn auch das hatte sich im Laufe der Jahre geändert, für puren Blödsinn gehalten. Dass der Ministerpräsident für die Sowjetunion spionieren sollte, kam ihm so unwahrscheinlich vor, wie er es jetzt glaubhaft fand, dass dieser Mann in seinen jungen Jahren einige Zeit als CIA-Agent tätig gewesen war. Das nehme ich euch ab, dachte Johansson. Aber den Rest könnte ihr vergessen.
    Als er in seinen Überlegungen so weit gekommen war, wurde er davon unterbrochen, dass das Telefon klingelte, obwohl es erst acht Uhr am Sonntagmorgen war. Es war Wiklander, und wie alle echten Polizisten hatte er etwas herausgefunden. Nämlich, dass der geheimnisvolle Professor Forselius nicht nur hochrangige Personen bei der Sicherheitspolizei kannte, sondern auch mit dem Sonderbeauftragten des Ministerpräsidenten befreundet war, dem Mann, der ebenfalls für den Ministerpräsidenten und die Regierung betreffende Sicherheitsfragen zuständig war.
    »Interessant«, log Johansson. »Woher weißt du das?«
    »Kollegin Söderhjelm«, sagte Wiklander. »Ich hab doch wohl erwähnt, dass wir gestern zusammen essen gehen wollten?«
    Dabei hatte wohl eins das andere ergeben, und ohne ins Detail gehen zu wollten, war Wiklander etwas später vor Kollegin Söderhjelms wohl gefülltem Bücherregal gelandet, der Hinterlassenschaft eines literarisch interessierten Onkels übrigens, und dort war sein Blick zufällig auf ein Buch über große schwedische Namen in der Mathematik gefallen, und da er Forselius in frischer Erinnerung hatte, hatte eins das andere ergeben.
    »Purer Zufall«, sagte Wiklander verlegen.
    »Wie war denn das Essen?«, fragte Johansson ablenkend.
    Nett, sagte Wiklander, sogar so nett, dass er schon mit dem Gedanken spielte, die Kanarischen Inseln sausen zu lassen und lieber mit Kollegin Söderhjelm auf eine dreiwöchige Tauchsafari nach Thailand zu reisen.
    »Klingt gut«, sagte Johansson neutral. »Grüß sie von mir, und vielen Dank für die Hilfe.«
    Ich bin doch ihr Chef, dachte er, als er den Hörer aufgelegt und sich wieder dem Arsch Krassner und dem abschließenden und wirrsten Teil von dessen ohnehin schon chaotischem Manuskript zuwandte. Und da er beim ersten Lesen spontan alles angezweifelt hatte, was dort stand, beschloss er, jetzt ganz besonders genau hinzusehen.
    Im Takt seines politischen Aufstiegs hatte Pilgrim auch internationalen Ehrgeiz entwickelt, und schon Ende der sechziger Jahre hatte er so ungefähr jede USA-feindliche Bewegung und jeden Konflikt, der sich auf der politischen Landkarte nur ausfindig machen ließ, seiner Unterstützung versichert. Zuerst hatte er sich gegen den Kampf der USA für Frieden und Freiheit in Vietnam ausgesprochen, dann hatte er sich für Castro auf Kuba und allerlei süd- und mittelamerikanische Aufrührer eingesetzt, und als Krönung des Ganzen hatte er sich auf die Seite von Arafat und dessen palästinensischen Terroristen gestellt.
    Krassner zufolge hatte er das getan, weil er inzwischen und schon seit langem der Sowjetunion als Infiltrator diente, seine mögliche politische Überzeugung hatte er mit keinem Wort erwähnt, und auf jeden Fall hatte er seinen alten Waffenbrüdern Buchanan und Raven damit gewaltig das Leben vergällt. Am Empörtesten war Raven, der nicht das war, wofür alle ihn hielten, sondern ein hart arbeitender und wahrer amerikanischer CIA-Agent. Als Juden erboste ihn vor allem die Unterstützung Palästinas und Arafats.
    Raven wollte zurückschlagen und Pilgrims Vergangenheit an den Tag bringen. Buchanan zögerte. Er kannte sich aus mit Zweiflern, Renegaten, normalen Verrätern und Doppelagenten, wozu man in seiner Branche leicht wurde, und egal, welche

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