Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
Leitende Polizeidirektor Waltin. Er war zehn Jahre jünger als Berg, und wenn Berg überlegte, wer später sein Nachfolger werden könnte, was er nur ungern tat, dann sah er Waltin vor sich. Sie hatten eine gemeinsame Geschichte, sie hatten Geheimnisse en Massageöl, in einigen Fällen hatten sie sogar persönliche Vertraulichkeiten ausgetauscht, und zudem war er Waltins Mentor. Wenn man ihren gemeinsamen Auftrag betrachtete, dann war es ebenfalls Waltin, der seine schützende Hand über dessen innersten Kern hielt, den sensibelsten, den allergeheimsten, jener, welcher um keinen Preis aufs Spiel gesetzt oder entlarvt werden durfte. Die externen Aktivitäten.
Es gab auch keinen Grund zu der Annahme, dass er sich auf Waltin nicht verlassen konnte. Alle Überprüfungen, denen er Waltin unterzogen hatte, waren ergebnislos geblieben, nichts wies darauf hin, dass irgendetwas nicht stimmte, wenn man von der törichten Geschichte des geheimen Schlüssels zu dem einarmigen Banditen und anderen Albernheiten absah. Und doch stimmte etwas nicht. Das spürte Berg, aber er konnte es nicht in Worte fassen.
Bergs Mitarbeiter waren allesamt ehrgeizig, sorgfältig und fleißig. Wer das nicht war, musste entweder gehen oder wurde auf Posten versetzt, auf denen diese Mängel von Vorteil und dem übergeordneten Ziel dienlich sein konnten, was allerdings auch nicht immer funktionierte.
Bei der Besprechung, die er eine Woche zuvor mit seinen Auftraggebern abgehalten hatte, war vor allem über die beunruhigenden Informationen diskutiert worden, die seine Sektion in Bezug auf die Überwachung der Kurden gesammelt hatte. Und der Letzte in der Reihe der Justizminister, der sich im Grunde in nichts von seinen Vorgängern unterschied, hatte ihre Überlegungen durcheinander gebracht.
»Dieser Kudo«, fragte der Justizminister. »Was ist das denn für ein Vogel? Kudo? Das klingt ausländisch, fast schon afrikanisch. Ist der Kerl aus Afrika?«
Dann hieße er ja wohl kaum Werner mit Vornamen, dachte Berg, aber das sagte er nicht. Er schüttelte nur höflich den Kopf.
»Kommissar Kudo ist der Leiter der Ermittlungen in Sachen Kurdenfrage«, erklärte Berg. »Er hat den aktuellen Bericht zusammengestellt und geschrieben«, fügte er hinzu.
»Ach, dann verstehe ich«, sagte der Sonderbeauftragte und hob die Augenlider um einige Millimeter. »Deshalb hat er ihn mit seinem Namen unterschrieben.«
»Ich meine den Namen«, sagte der Justizminister, der nicht so leicht lockerließ. »Kudo. Ist das nicht afrikanisch?«
»Ich bilde mir ein, dass sein Vater nach dem Krieg aus Estland geflohen ist«, sagte Berg. »Kudo. Ja, ich glaube, das ist ein estnischer Name.«
»Ich könnte mir die Sache so vorstellen«, sagte der Sonderbeauftragte mit gesenkten Augenlidern und seinem üblichen aufreizenden Lächeln. »Nehmen wir an, rein hypothetisch, meine ich«, sagte er und nickte aus irgendeinem Grund ausgerechnet zu Berg hinüber, »dass sein Vater Kurt hieß und seine Frau Mama Doris. Und das wurde dann zu KuDo anstelle von Andersson. Man sollte sicher dankbar dafür sein, dass er sich nicht mit großem D schreibt. Ku-Do«, sagte der Sonderbeauftragte mit Betonung auf beiden Silben, während er aus irgendeinem Grund den Minister anschaute.
»Genau«, sagte der Justizminister und kicherte. »Denn dann hätte ich ihn wohl für einen Japaner gehalten. Wie bei Judo, meine ich«, erklärte er und versetzte seinem Staatssekretär, der höflich und schweigend lächelte, einen Rippenstoß.
»Wenn es für die Herren wichtig ist, kann ich natürlich Erkundigungen einholen«, sagte Berg höflich. Einer, der nie etwas sagt, und einer, der spinnt, dachte er.
»Das wäre ganz hervorragend«, sagte der Sonderbeauftragte mit übertriebener Wärme in der Stimme. »Dass der Kerl weder denken noch schreiben kann, kann ich zur Not hinnehmen, wir haben ja schließlich nicht die große Auswahl, aber ich misstraue Leuten, die ihren Namen wechseln.«
Was willst du damit eigentlich sagen?, fragte sich Berg.
Ein Wink mit dem Zaunpfahl, dachte Berg zwei Stunden später. Er saß hinter seinem Schreibtisch und hatte soeben Werner Kudos Personalakte gelesen. Geboren als Werner Andersson, Sohn von Kurt Andersson und dessen Ehefrau Doris, geborene Svensson.
Nachlässig von mir, dachte Berg.
Es war wirklich keine leichte Aufgabe gewesen, Leute für die Kurdensektion zu rekrutieren. Menschen zu finden, die ehrgeizig, sorgfältig und fleißig waren und die zugleich mit den immer
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