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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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offenkundige Missstand jetzt seit fast einem Jahr besteht, wende ich mich in dieser Sache an Sie. Die Situation an meinem Arbeitsplatz ist leider nicht von der Art, dass ich mit meinen Vorgesetzten darüber sprechen könnte«.
    »Was sagst du dazu?«, fragte Berg.
    Er und Waltin saßen auf dem Sofa im Besprechungszimmer, und er hatte schon eine halbe Kanne Kaffee getrunken, während Waltin noch immer las und nachdachte.
    »Offenbar haben wir einen Spion am Hals«, stellte Waltin mit kurzem Grinsen fest.
    Zwei von dreien, dachte Berg und stöhnte in Gedanken. Der andere war der Staatssekretär im Justizministerium, der immer bei den wöchentlichen Besprechungen zugegen war. Das war er jetzt schon seit vielen Jahren, egal, ob es sich bei seinem Minister um einen bürgerlichen oder einen Sozialdemokraten handeln mochte. Außerdem hatte er noch einen Nebenauftrag als Jurist des Oberbefehlshabers, mit Generalleutnantsrang und Platzierung beim Verteidigungsstab.
    An sich war dieser Staatssekretär ein überaus schweigsamer Mann. Wenn er ein seltenes Mal das Wort ergriff, dann in der Regel, um eine Frage zu beantworten, und bei seinen Aussagen ging es immer um Formalitäten und juristische Fragen. Sein gesamtes Auftreten war angenehm und diskret. Ein gebildeter Schriftgelehrter der alten Schule, hatte Berg zuerst gedacht, aber da er keiner war, der auf eine hübsche Larve hereinfiel, und da der Staatssekretär bei ihren Treffen Protokoll führte, auch wenn seine Aufzeichnungen ziemlich kurz ausfielen, hatte Berg ihn der üblichen Routinekontrolle unterzogen. Seine Ermittler hatten mitten im Winter eine ganze Woche in einem eiskalten Kastenwagen vor der prachtvollen Villa des Staatssekretärs in Lidingö zugebracht, ohne auch nur das Geringste mitteilen zu können. In der achten Nacht war dann endlich etwas passiert, und nach den Ermittlungsberichten, die am folgenden Morgen auf Bergs Schreibtisch gelegen hatten, dieses:
    »Um 02.18 tritt das Objekt auf den Balkon seines Schlafzimmers im Obergeschoss seiner Villa. Mit gewisser Mühe nimmt es danach eine so genannte Habachtstellung ein und hebt mit der rechten Hand ein Glas Champagner, worauf es ein vierfaches Hoch auf Seine Majestät den König ausbringt. Zu diesem Zeitpunkt trägt es blaue kurze Unterhosen mit gelben Biesen, den Uniformrock der Armee mit den Rangabzeichen eines Generalleutnants und die dazugehörige Schirmmütze. Danach singt das Objekt die ersten Strophen der Königshymne, worauf die Balkontür von innen geöffnet wird und eine nackte Frau auf den Balkon tritt und das Objekt durch die Balkontür in die Villa zieht. Die besagte Frau ist nach unseren Beobachtungen identisch mit der Gattin des Objekts, das zum beschriebenen Zeitpunkt einen ungeheuer munteren Eindruck macht. Im Schlafzimmer scheint es danach zu gewissen Aktivitäten gekommen zu sein. Da die Vorhänge vorgezogen und die Balkontür geschlossen waren, kann das jedoch nicht mit Sicherheit behauptet werden. Um 05.30 wird das Licht im Schlafzimmer gelöscht.«
    Woher wollen die denn wissen, dass das Champagner war?, überlegte Berg, nachdem er den Bericht einsortiert hatte.
    Ehe er und Waltin sich trennten, waren sie übereingekommen, den militärischen Teil ihrer Untersuchung der antidemokratischen Elemente herunterzufahren. Mit dem Minister war in diesem Punkt nicht zu rechnen, und zwei gegen einen war einer zu viel.
    »Ich glaube, es wäre besser, sich bedeckt zu halten und abzuwarten, wie die Lage sich entwickelt«, erklärte Berg.
    »Auf jeden Fall. Zumindest bis wir wissen, ob er Fisch oder Fleisch ist«, stimmte Waltin zu. Wie kann ein so begabter Mensch ein Scheißsozi sein?, fragte er sich.
    Es war gut gegangen und es war schlecht gegangen, aber Berg hatte sich gehalten. Es war gut gegangen und es war schlecht gegangen, aber egal wie, es hatte sich ein Tag an den anderen gereiht, und die Tage waren zu Monaten geworden und dann auch noch zu Jahren, und Berg saß immer noch auf seinem Posten. Zugleich schienen sich seine Umwelt, sein Auftrag und die Menschen, die diesen Auftrag greifbar und konkret werden ließen, um ihn zu schließen. Aber nicht, um ihn zu sich zu holen und ihn in ihre Arme zu ziehen, was schon schwer genug gewesen wäre, da er einen festen Händedruck und respektvolle Distanz vorzog, sondern als Vorbereitung auf etwas ganz anderes. Berg hatte einen Tag an dem sicheren Ort verbracht, um in sich zu gehen und seine Lage zu analysieren.
    Bergs engster Mitarbeiter war der

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