Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
gemieteten Räumlichkeiten und auf der Wache, sie führten gemeinsam Übungen und andere Freizeitaktivitäten in Gottes freier Natur durch, aßen in einem so genannten Herrenclub für geladene Gäste, hörten sich Vorträge über das gute Leben in Südafrika an, über Hitler als politischen Denker, über die Linkslastigkeit der Presse und die Frage, warum es unter den Nobelpreisträgern keine Neger gab. Sie hörten deutsche Marschmusik und absolvierten vor, während und nach der Mahlzeit gemeinsam den Hitlergruß. »Man muss außerdem darauf hinweisen, dass bei diesen Zusammentreffen außerordentliche Mengen Schnaps konsumiert werden«, hatte Bergs Infiltrator in einem seiner Berichte notiert.
Der Rapport für den Auftraggeber wurde in dem blauen Raum im sechsten Stock des Kanzleigebäudes gehalten. Vor den Fenstern leuchtete eine bleiche Septembersonne, und nun kann das Elend seinen Lauf nehmen, dachte Berg.
»Wenn ich deine Unterlagen richtig verstanden habe«, sagte der Sonderbeauftragte und betrachtete Berg mit seinem ewigen und aufreizenden Halbgrinsen, »was für den mathematisch interessierten nicht immer ganz leicht ist«, fügte er hinzu und lachte leise.
Berg begnügte sich mit einem Nicken.
»Dann umfasst dein Material zwischen einhundertfünf und einhundertfünfzehn so genannte Kollegen bei der Stockholmer Polizei, die alle einen gewissen Hang aufweisen zu …«, er ließ diese Worte fast wollüstig auf der Zunge zergehen, »den braunen und schwarzen Farbtönen auf der politischen Palette.«
Berg begnügte sich mit einem Nicken. Worauf der wohl hinaus will?, fragte er sich.
»Wie viele Leute haben diese Abteilungen, die deine Untersuchungen umfasst haben?«
»Etwas zwischen zwölfhundert und fünfzehnhundert«, antwortete Berg schnell. »Es tut mir Leid, dass ich nicht mit genaueren Zahlen dienen kann.« Ist jetzt vielleicht Prozentrechnung angesagt?, dachte er.
»Neunhundertsiebzig, nach den Auskünften, die mir die höchste Leitung der Stockholmer Polizei erteilt hat. Und das ergibt einen Anteil von zwischen elf und zwölf Prozent. Wenn ich das in der Eile richtig berechnet habe.«
Spiel dich nicht auf, dachte Berg, hielt aber den Mund.
»Das kann schon stimmen«, sagte Berg. »Aber deine Zahlen kommen mir arg gering vor. Knapp tausend Polizisten, ich bin fast sicher, dass es um einiges mehr gibt.«
»Was uns eine Prozentzahl zwischen sieben und acht bringen würde, wenn es nun fünfzehnhundert sind, wie du meinst. Das klingt ja fast tröstlich.«
Jetzt lachte er wieder.
»Sieben Prozent sind schlimm genug«, sagte Berg.
»Dass es sich um neunhundertsiebzig handelt, ist übrigens eine Auskunft, die ich dem Polizeipräsidenten verdanke, aber du meinst also, dass er sein eigenes Personal um fast fünfzig Prozent unterschätzt hat?«
Schwedens einfältigster Polizist und der einzige, der sozialdemokratisch wählt, wenn man ihm glauben darf, also ist das durchaus möglich, dachte Berg.
»Sicher liegen mir falsche Informationen vor«, sagte Berg. »Aber egal wie, es ist schlimm genug.«
»Diese ungefähr hundert, die du für uns ausgesucht hast«, der Sonderbeauftragte schien laut zu denken, »machen die nur die Spitze des Eisbergs aus, oder liegt der glückliche Zufall vor, dass ihr so gut wie alle erwischt habt?«
»Mit einer gewissen Dunkelziffer muss man wohl leider rechnen«, sagte Berg defensiv.
»Wenn man nun solche Ansichten hat, aber zugleich die üblichen Umgangsformen wahrt, ich meine damit, dass man nicht ›Heil Hitler!‹ durch die Gegend schreit und ›Die Fahne hoch‹ singt und dabei eine Schirmmütze mit Totenkopf trägt …«
»Diese Gefahr besteht sicher, ja. Leider«, sagte Berg. Worauf willst du denn jetzt schon wieder hinaus?, dachte er.
»Sondern die sich nur mit schweigendem Einverständnis begnügen und ihre Zeugnisse auf eine gewisse Weise schreiben und zum Beispiel durch einfache Planung und Organisation dafür sorgen, dass keine Kollegin je auch nur einen Fuß in den Außendienst setzt und dass die Polizeischule keine Ausländer aufnimmt. So lange man sich damit begnügt, taucht man in deinen Untersuchungen also nicht auf?«
Nein, dachte Berg. Wie auch?
»Stimmt«, sagte Berg und kaum hatte er das gesagt, hätte er sich am liebsten auf die Zunge gebissen.
»Stimmt«, wiederholte der Sonderbeauftragte und machte ein Gesicht, als habe er gerade einen besonders delikaten Bissen gekostet. »Das scheint mir aber eine Schwäche in der Untersuchungsmethode zu
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