Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
dachte Berg.
»Der Ministerpräsident«, sagte er. »Falls du an eine einzelne Person denkst, dann ist wohl leider der Ministerpräsident das allgemeine Hassobjekt.«
»Deshalb schießen sie also bei ihren Freiluftaktivitäten auf sein Bild«, stellte der Sonderbeauftragte fest, und aus irgendeinem Grund lächelte er dabei strahlend.
»Gerade dieses Detail war mir bisher unbekannt«, erwiderte Berg, aber der andere schien ihn nicht gehört zu haben. Er saß behaglich zurückgelehnt in seinem Sessel, hatte die Augen halb geschlossen, die Hände über dem Schmerbauch verschränkt, sein Lächeln war fast verschwunden.
Dieser Mann spinnt doch, dachte Berg. Keine Frage.
Ehe sie sich trennten, waren sie übereingekommen, dass sie diese Sache äußerst ernst nehmen und ihr höchste Priorität einräumen müssten. Außerdem mussten die Untersuchungen ausgedehnt werden. Wie war die Lage in anderen Landesteilen? Wie sah es bei Sicherheitspolizei und Militär aus? Und was war mit den Drohungen gegen den Ministerpräsidenten und die übrige politische Leitung des Landes?
Hier waren baldestmögliche landesweite Ergebnisse gefordert. In der Breite und in der Tiefe und ohne irgendwelche Tatsachen zu verschleiern oder zu beschönigen, egal, wie unangenehm diese auch sein mochten. Die praktischen Arbeiten wurden vertrauensvoll in die Hände Bergs und seiner Mitarbeiter gelegt.
Was ist bloß los?, dachte Berg, als er auf dem Rücksitz seines Dienstwagens saß und zurück ins Büro in Kungsholmen gefahren wurde. Draußen ist es schon dunkel, bald kommt der Winter, und was ist eigentlich aus dem Sommer geworden? Wohin ist der verschwunden?
Er hatte gehofft, Waltin im Büro vorzufinden, um gemeinsam mit ihm die neue Lage besprechen zu können, aber es gab nur eine Mitteilung seiner Sekretärin, dass Waltin so lange wie möglich gewartet, dann aber einen dringenden Termin in der Stadt habe wahrnehmen müssen. Leider sei er auch per Europieper nicht zu erreichen, werde aber am nächsten Morgen früh von sich hören lassen.
»Und wenn du nichts dagegen hast, dann gehe ich jetzt auch«, sagte sie mit freundlichem Lächeln.
Am nächsten Morgen hatten sie sich zusammengesetzt, und Waltin war so gut aufgelegt, gut gekleidet und rasierwasserduftend gewesen wie immer. Berg selbst hatte sich im Leben schon wohler gefühlt. Er hatte sich bis Mitternacht schlaflos im Bett gewälzt, dann aufgegeben, sich in sein Arbeitszimmer gesetzt und seine Gedanken zu Papier gebracht. Danach hatte er noch einmal versucht zu schlafen, aber auch das war nicht von besonderem Erfolg gekrönt gewesen. Erst gegen vier Uhr morgens war er in einer Art traumreichen Dämmerzustand versunken, und beim Frühstück hatte seine Frau ihm vorgeschlagen, sich für diesen Tag krankschreiben zu lassen.
„»Denn ich kann dir wohl nicht helfen?«, fragte sie. Berg schüttelte nur den Kopf, und eine Stunde später saß er hinter seinem Schreibtisch. Als letzte Maßnahme hatte er, bevor er das Haus verließ, seine nächtlichen Aufzeichnungen durch den Reißwolf in seinem Schlafzimmer laufen lassen. Waltin musste sich mit einem Zettel begnügen, auf dem nur drei Punkte verzeichnet waren und den Berg mit einer kurzen mündlichen Zusammenfassung der Besprechung am Vortag vervollständigte.
»Ach«, sagte Waltin und gab Berg den soeben gelesenen Zettel zurück. »Sieht aus, als bräuchten wir noch jede Menge Knete. Außerdem glaube ich, dass wir uns auf gefährlichen Wegen befinden.«
Berg nickte, damit er weiterredete.
»Wenn wir den ersten Punkt nehmen, dass wir die Untersuchungen über bestimmte Kollegen ausdehnen, vertiefen und vervollständigen sollen, dann werden wir gelinde gesagt eine Menge Probleme bekommen.«
»Welche denn?«, fragte Berg.
»Erstens das rein praktische Problem mit der Datenerhebung.
Ich gebe dir ein Beispiel. Einer meiner Anwerber hat sich vor einiger Zeit für einen möglichen Gewährsmann interessiert. Dieser Mann wird in einigen Monaten in den regulären Dienst übernommen, macht im Moment ein Praktikum bei der Bereitschaftspolizei von Östermalm und wirkt wie maßgeschneidert für die Kreise, die wir untersuchen.«
»Aber?«
»Das Problem war, dass er dort schon tätig war. Und das haben wir nur durch Zufall noch rechtzeitig erfahren.«
Und wie viele sind uns durch die Lappen gegangen?, dachte Berg und stöhnte innerlich auf.
»Nimm an, wir könnten dieses Problem lösen«, sagte Waltin jetzt. »Dass wir wirklich in die Tiefe vordringen
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