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Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters

Titel: Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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Hosen, die in die hohen Stiefelschäfte gestopft waren. Yes, Sir, Good Morning, Sir, No, Sir, Good Evening, Sir.
    Der Mittwoch war der beste Tag gewesen. Vormittags waren zwei Stunden dem Training vorbehalten gewesen, und Johansson hatte seine täglichen kurzen Spaziergänge, die ihn jetzt immer durch die Hauptstraße führten, durch einen Besuch im Schwimmbad ersetzt. Am Vortag hatte er sich im Andenkenladen der Akademie unter anderem eine Badehose gekauft, die natürlich, wie alles andere, mit dem Emblem des FBI versehen war. Außerdem hatte er vor einer blauen Baseballmütze mit eben diesem Emblem gezögert und sie am Ende doch gekauft. Für alle Fälle, dachte Johansson.
    In der Schwimmhalle fand er Special Agent Backstroem vor, der Kraft seiner Abstammung als Betreuer für die skandinavischen Teilnehmer abkommandiert worden war, ansonsten jedoch im Hauptquartier in Washington hergestellt worden zu sein schien.
    »Sir«, sagte Backstroem, zog den Bauch ein, spannte seine Brust und starrte ihm in die Augen. »Sie wollen schwimmen, Sir.«
    Nein, dachte Johansson, der zwar erst seit drei Tagen von Backstroems Existenz wusste, ihn aber trotzdem schon mit einer stillen norrländischen Glut hasste. Ich wollte mir ein Konzert der Vikingarna anhören, und deshalb habe ich das Schwimmbad der FBI- Akademie nur mit einer Badehose bekleidet aufgesucht. Aber das sagte er nicht. Er nickte wie das Landei, das er ja auch war.
    »Ja«, sagte Johansson. »Das wollte ich mir nicht entgehen lassen, wo ich schon mal hier bin.«
    »Very good, Sir«, sagte Backstroem und schielte zu den Lebensrettungsutensilien hinüber, die an einem Haken an der Wand hingen.
    »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Zeit nehmen könnten«, sagte Johansson.
    »Yes, Sir«, sagte Backstroem. »Very good, Sir. Wie viele Bahnen, Sir?«
    »Fünfzig«, sagte Johansson, nickte und glitt mit denselben kontrollierten Bewegungen ins Wasser wie ein Seehund, der seinen Felsen im Meer verlässt.
    Nach vierzig Bahnen war Backstroem völlig durcheinander. Er war die ganze Zeit am Beckenrand entlanggerannt und hatte mit den Armen gefuchtelt. Hatte die Uhr und eine wechselnde Anzahl Finger gehoben. Als Johansson sich auf den Beckenrand zog und das Wasser aus den Haaren strich, stand Backstroem kurz vor einem Zusammenbruch.
    »Sir«, keuchte er. »Sie sind ein einzigartiger Schwimmer, Sir.« Er tippte mit dem Zeigefinger auf die Stoppuhr.
    Johansson lächelte freundlich. Nickte.
    »Na ja«, sagte er. »Ich habe zu lange pausiert. Wo ist die Dusche?«
    Backstroem zeigte ihm den Weg durch eine Neigung des Oberkörpers und gebieterische Handbewegungen. Wenn er sich nur nicht in mich verliebt, dachte Johansson.
    Die Vorlesung nach dem Mittagessen war nicht viel schlechter gewesen. Johansson gehörte zu der exklusiven Schar, denen die allerletzten Entwicklungen im intellektuelleren Teil des niemals endenden Kampfes gegen das Verbrechen vorgeführt werden sollten. Johansson sollte jetzt lernen, wie man bei schwerwiegenden Verbrechen psychologische Profile der unbekannten Täter erstellte. Der Vortragende unterrichtete in der neu gegründeten Einheit des FBI für Verhaltenswissenschaft, und abgesehen davon, dass er zwanzig Jahre älter war als Spezialagent Backstroem, lag es auf der Hand, dass er aus derselben Retorte stammte. Danach war eine halbe Stunde für die abschließende Diskussion bereitgestellt worden.
    Aha, dachte Johansson. So leicht ist das also, und wenn er den Vortrag richtig verstanden hatte, dann ließen die Serienmörder sich in sechs Kategorien einteilen. Entweder waren sie asozial und pfiffen ganz einfach auf Ansichten oder Unternehmungen ihrer Umgebung. Oder sie waren antisozial und hassten ihre Umgebung, egal, was die dachte oder wie sie sich verhielt. Und wie auch immer, sie konnten entweder unorganisiert oder organisiert oder beides sein, was ihre Verbrechen betraf. Zweimal drei macht sechs, dachte Johansson, denn das hatte er schon in der ersten Klasse gelernt.
    Und was haben wir hier?, dachte Johansson und musterte die schrecklichen Dias, die der Vortragende mit der stillen pathologischen Begeisterung vorführte, die offenbar das Adelszeichen der Profilexperten ausmachte.
    Aha, dachte Johansson. Hier haben wir ein Glühwürmchen, das bei seinem Nachbarn klopft, denn der hat sich gerade einen Kanarienvogel gekauft. Er hasst alle, die Kanarienvögel haben. Hasst sie einfach. Als der Nachbar aufmacht, haut er ihm eine Rohrzange vor die Birne.

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