Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters
sagte Berg und zeigte mit der rechten Hand auf die Sessel. Was für ein seltsames Paar, dachte er.
»Es geht um die PKK«, sagte Kudo mit schicksalsschwangerem Ernst in der Stimme.
»Partiya Karkeren Kurdistan«, murmelte Bülling und starrte die Tischplatte an.
Diese verdammten Buchstabenkombinationen, dachte Berg.
»Ich weiß«, sagte er. »Kurdistans Arbeiterpartei, früher auch Kurdistans Revolutionäre genannt. Weiter.«
Ganz konkret ging es um ein abgehörtes Telefongespräch, das eine knappe Woche zuvor aufgeschnappt worden war und das danach die gesammelte Kapazität der Analysegruppe in Anspruch genommen hatte. Um 22.37 hatte Semir G., »bekannter kurdischer Aktivist«, seinen Nachbarn Abdulla A. angerufen, auch dieser ein »bekannter kurdischer Aktivist«, der im selben Mietshaus im Therapievägen in Flemingsberg lebte. Nachdem sie fast eine halbe Stunde auf Kurdisch über Gott und die Welt geplaudert hatten, waren sie dann plötzlich zur Sache gekommen.
Kudo schaute Berg mit einem Ernst an, als habe er ein in ein Frieswams gekleidetes Wichtelmännchen auf seinem elterlichen Hof vor sich.
»Es ging um eine Hochzeit«, sagte Kudo gewichtig.
»Wie der Chef sicher weiß, ist Hochzeit ihr Wort für Attentat«, murmelte Bülling und starrte noch immer die Tischplatte an. »Es ist ein Codewort, das sie verwenden, wenn sie jemanden erschießen wollen.«
Berg begnügte sich mit einem Nicken. Er wusste, dass es auch andere Bedeutungen haben konnte, Hochzeit zum Beispiel, oder Demonstration oder irgendeine nicht weiter definierte Aktivität.
»Sie wollen also irgendwen erschießen«, verkündete Kudo mit Augen, die so schwarz waren wie Pistolenmündungen.
Ja, oder irgendwer will heiraten, und wir wissen ja alle, was dabei herauskommen kann, dachte Berg.
»Warum telefonieren die eigentlich miteinander?«, fragte Berg. »Die wohnen doch im selben Haus.«
»Das haben wir noch nicht rausfinden können«, sagte Kudo und nickte energisch.
»Wir arbeiten daran«, murmelte Bülling.
»Wissen wir, wer es ist?«, fragte Berg.
»Wer denn?«, murmelte Bülling und schielte nervös zur Tür hinüber.
»Den sie erschießen wollen«, sagte Kudo, obwohl nicht er derjenige war, der Professor genannt wurde.
»Welchen von ihren Renegaten oder Widersachern wollen sie diesmal abknallen?«, verdeutlichte Berg. »Wissen wir, wie er heißt?«, fügte er sicherheitshalber hinzu.
»Diesmal geht es leider nicht um eine normale Hochzeit«, sagte Kudo, beugte sich vor, senkte die Stimme, und um den Ernst der Lage noch weiter zu betonen, schüttelte er außerdem den Kopf.
»Sie sprechen von einem Lamm«, sagte Kudo.
»Lamm?«, Berg schaute ihn fragend an. »Wie in Lammbraten?«
»Lamm«, murmelte Bülling, »und deshalb sind wir davon überzeugt, dass sie diesmal jemanden erschießen wollen, irgendeine prominente Person. Vermutlich einen unserer eigenen führenden Politiker.«
»Warum glaubt ihr das?«, fragte Berg.
»Sie wollten ein Lamm kaufen«, murmelte Bülling. »Und außerdem Wein, und dann brauchen sie noch zwei Sänger.«
Berg hatte über eine Viertelstunde gebraucht, um festzustellen, welche Gründe für ein bevorstehendes Attentat auf einen hoch stehenden schwedischen Politiker sprachen, von dem die Analysegruppe der Kurdensektion ja überzeugt war.
»Ich lese das jetzt direkt von der Abschrift des Mitschnitts ab«, sagte Kudo. »Dann kann der Chef sich selber eine Meinung bilden.«
Tu das, dachte Berg und nickte müde.
»Die Sache wird also von Semir G. zur Sprache gebracht. Von dem Semir, der angerufen hat«, fügte Kudo erklärend hinzu. »Wortwörtlich sagt er folgendes. Ich zitiere nach dem Band.«
Jetzt mach endlich, Mensch, dachte Berg und nickte.
»Zitat. Wir müssen bald die Hochzeit halten. Wir brauchen Kuchen, Gebäck und Brot, aber diesmal müssen wir auch ein Lamm kaufen. Und wir brauchen Wein und zwei Sänger. Zitatende.«
Kudo nickte, dann las er weiter:
»Zitat. Wir brauchen zwei Sänger? Zitatende, fragte Abdullah A. Zitat: Diesmal kaufen wir ein Lamm und Wein und brauchen zwei Sänger. Zitatende, antwortet Semir G. Das war alles«, sagte Kudo. »Gleich darauf beenden sie das Gespräch mit den üblichen Abschiedsfloskeln.«
Mein Gott, dachte Berg.
»Die haben noch nie Lamm serviert«, erklärte Kudo. »Wenn sie ihre eigenen Leute umbringen, reden sie von Gebäck und Kuchen und Brot. Und ab und zu nur von Brot.«
»Und wie deutet ihr das hier?«, fragte Berg und sah sich selbst wie in
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