Zwischen dir und mir
besessen von ihm. Einen anderen Jungen hatte sie nie geküsst. Warum musste das alles so schrecklich kompliziert sein?
»Hat er es dir wenigstens auch …«, hakte Annika neugierig nach.
Lisa schüttelte den Kopf.
»Und wann wollt ihr richtig?«, fragte Greta hinterher.
Lisa wusste die Antwort selbst noch nicht. Sie wünschte sich, ihre Freundinnen würden nicht noch mehr Fragen stellen. Sie hasste das Thema. An alles, nur nicht daran wollte sie heute denken. »Ich weiß nicht«, schüttelte sie den Kopf.
»Du solltest dich von ihm belohnen lassen. Sag ihm, er soll sich revanchieren«, grinste Greta. Annika kicherte.
Sie sollten aufhören. Lisas Hand griff den Hals der Flasche fester.
»Ist doch auch egal. Du hast dir heute mal verdient zu feiern. Jungs sind sowieso überbewertet«, half ihr wieder Marie und drehte die Anlage lauter.
Es war gut, sie neben sich zu wissen. Musik konnte so befreien. Lisa sprang auf, tanzte ins Wohnzimmer und drehte noch ein bisschen auf.
»Ey, die Nachbarn beschweren sich noch«, rief Marie, die ihr gefolgt war.
»Quaatsch«, tönte Lisa zurück.
Der Moment gab ihr unbekannte Leichtigkeit. Es zählte nur das, was jetzt, hier und heute war. Sie nahm Marie bei der Hand, die nicht zögerte, warf sie auf das Sofa und drückte sie kreischend in die Kissen.
»Hey, was ist heute los mit dir?«
»Psst«, zischte Lisa und legte ihr den Finger auf den Mund.«Erzähl mir lieber, wie es bei dir und den Jungs läuft.«
»Na ja, vielleicht ergibt sich ja heute was«, kicherte Marie, dass es Lisa ansteckte. Sie fiel neben ihr in die Kissen und wollte schweben in diesen Stunden, die diese Nacht noch hatte. Oder besser – fliegen, immer weiter. Immer weiter lachen. Nie war ihr die Liebe so egal gewesen, wenn das Leben jetzt so einfach sein konnte.
Die nächste Stunde ging vorbei, als hätte sie gerade begonnen. Nachdem auch die letzte Flasche Champagner leer war, brachen sie auf. Die Anlage war ausgeschaltet, die Musik verstummt. Jedes kleine Geräusch – Absätze auf dem Parkett, Türklinken – klang seltsam hohl.
Lisa wartete im Hausflur, schielte in den Spiegel und sah Jenny neben sich, wie sie still ihre spitze Nase begutachtete.
»Du siehst so schön aus«, flüsterte Jenny.
Lisa mochte ihre Stimme. Sie war warm und wenn sie sprach, sagte sie meist etwas Nettes. Eigentlich war es merkwürdig, dass sie bisher so wenig miteinander teilten. Lisa und Marie, Greta und Annika – Jenny war da immer nur das fünfte Rad am Wagen gewesen. Ein bisschen tat es ihr leid, jetzt da sie das bemerkte.
»Danke schön. Du aber auch«, erwiderte sie.
Jenny winkte ab. »Ach, was.«
»Wollen wir die Tage mal was machen? Nur wir zwei«, schlug Lisa vor.
»Das wäre super.« Jenny schien aufrichtig begeistert. Ihr Gesicht strahlte im Spiegel.
Lisa wurde etwas rot. Hatten sie Jenny wirklich immer so ausgegrenzt? Und warum fiel ihr das erst jetzt auf?
Die anderen Mädels kamen in den Flur gestürmt. Sie frischten kurz ihr Make-up auf, sortierten die Handtaschen und machten sich endlich auf den Weg in die Vorstadt.
Grölende Typen standen vor dem Vegas auf der Straße. Ein paar Türken in ihrem tiefergelegten 3er- BMW rasten hupend vorbei. Leere Flaschen überall. Pfiffe. Lisas Herz schlug heftig. Marie nahm sie bei der Hand. »Pass auf.« Sie schaute Lisa eindringlich an. »Ich komme gleich wieder raus und stempel bei dir ab. Bleib solange hier stehen und lass dich von keinem Spasti anlabern.«
Lisa nickte nur. Marie gab ihr noch einen flüchtigen Kuss und ließ sie stehen. Greta, Jenny und Annika waren mit sich selbst beschäftigt. Jenny schien nicht mehr geradeaus laufen zu können und blieb einfach verträumt stehen. Sie schwankte ein bisschen und schaute den bunten Lichtern zu. Greta hatte bereits jemanden kennengelernt, der mit seiner Hand schon am Hosenbund ihrer Hotpants nestelte. Annika hatte ihre Cousine getroffen, schielte aber zu Sören, der gerade aus Toms GTI stieg. Dennis folgte ihm, ohne stehen zu bleiben Richtung Eingang. Sollte sie ihm aus dem Weg gehen oder ihn provozieren?
»Hey, geiler Arsch.« Sie schaute sich um. Zwei Jungs grinsten sie an. Schnell wegschauen. Sie wandte sich ab und zog ihr Kleid etwas nach unten, aber immer noch fühlte sie sich nackt und klammerte sich an ihre Handtasche. Alleine stand sie da und wartete.
Sie spürte den Alkohol immer stärker, die Lichter um sie herum verschwammen. Dann hämmerten Absätze auf dem Pflaster und Maries Hand rettete sie.
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