Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischen dir und mir

Zwischen dir und mir

Titel: Zwischen dir und mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lino Munaretto
Vom Netzwerk:
Lippe platzt auf. Er taumelt zurück. Keine Zeit, das Blut wegzulecken, da trifft die nächste Faust ihn. Ein Stoß. Der Boden verschwindet unter den Füßen. Lichter rauschen an ihm vorbei. Ein Auto hupt. Der Kopf schlägt auf Asphalt.
    Gefangen in seinem Schmerz blieb Alex liegen. Er hustete, keuchte, spuckte Blut aus, das von seiner Lippe in seinen Mund tropfte.
    • • •
    Lisas Kopf drehte sich. Das war nicht Dennis. Es war jemand, den sie nicht mehr kannte. Und Alex. Was wollte der? Wer war er? Dennis hatte nichts gesagt, nur zugeschlagen. War das seine Antwort? Ihr Gesicht zitterte und sie ergab sich den Tränen. Sie wollte nur alleine sein. Nur rennen.
    »Verpiss dich«, zischte Dennis Alex zu.
    Er tat ihr leid, wie er am Boden lag.
    »Lass ihn in Ruhe, Dennis.«
    »Scheiße, Lisa! Du bist meine Freundin. Den Spinner geht das hier nichts an.«
    »Weißt du was«, schrie sie ihn an. »Ich war … deine Freundin.« Die letzten Worte flüsterte sie, doch sie schienen in ihr widerzuhallen. Dann wurde es still. Nichts. Wie im Auge des Tornados. Dann rennen nach irgendwo. Ins Nirgendwo. Hauptsache an einen anderen Ort.
    »Was? Lisa? Das kannst du nicht machen. Bleib stehen!«
    Sie lief vor den Fragen, all den Worten und sich selbst davon.
    Ihre Beine trugen sie wie von allein, während ihre Gedanken sie verfolgten.
    »Bleib stehen!«
    Die Lichter verschwanden. Die Straße schien endlos. Ruhiger wurde es nicht in ihr.
    Es war das Ende ihrer Beziehung, und trotzdem schien es ihr, als liefe sie vor diesem Ende davon, um den Anfang wiederzufinden. Wann waren seine Augen so kalt geworden? Hatte sie Schuld? Jedes Mädchen hätte mit ihrem Freund nach zwei Jahren geschlafen. Es hatte alles gepasst. Hatte es das? Sie wischte den Schweiß von der Stirn, warf die Haare zurück, die ihr ins Gesicht fielen. Irgendwie führte jede Straße in eine falsche Richtung. Alex? Warum war er gekommen? Ohne ihn hätte sie es nie beendet. Wahrscheinlich wollte er ihr einfach nur imponieren. Wie all die anderen Jungs. Sie hasste ihren verdammten Körper. Was war er wert? Was war sie wert? Nichts. Lisa riss die Schnalle des Gürtels auf und ein Krampf durchfuhr sie, der alle Tränen löste. Sie zitterte am ganzen Leib, verschränkte die Arme vor dem Körper. Es wärmte sie nicht. Ihre Finger krallten sich in die Oberarme, bis sie die Haut zerkratzt hatte. Auch ihre Beine gaben ihr keinen Halt mehr, sie stolperte über das Pflaster, hockte sich auf die Treppe eines Kiosks und lehnte sich gegen die Zigarettenreklame. Im matten Licht folgten ihre Augen dem Weg ihrer Tränen, wie sie über ihre Wangen rannen. Eine Ewigkeit, dann schlugen sie auf das Pflaster, doch konnten die grauen Steine nicht zerbrechen.
    • • •
    Alex musste nicht leise sein, als er durch den Flur ging. Aus dem Zimmer seiner Mutter hörte er das gewohnte Stöhnen und Quietschen des Bettes. »Scheiße«, fluchte er leise, als er mit dem Fuß gegen die Schwelle zu seinem Zimmer stieß. Nichts weniger als einen blutigen Zeh konnte er jetzt zu einer aufgeplatzten Lippe und einem blauen Auge noch gebrauchen. Er warf den Rucksack in die Ecke des Zimmers und ließ sich auf den Schreibtischstuhl fallen.
    Das Handy summte. Neue Nachricht von Georg: wo bist du hin? wir suchen dich die ganze zeit.
    Er drückte den roten Hörer und warf das Handy weg. Wie ein Fremder sah der Junge aus, dem er im spiegelnden Fenster in die Augen schaute. Sie würde ihn hassen dafür. Dafür, dass er sich eingemischt hatte. Wieso hatte er das getan? Vielleicht hatte er gehofft, sie würde ihm dankbar sein. Er schlug sich die Hand vor den Kopf, als er sich dabei ertappte, wie weit er schon dachte.
    »Fuck.« Er konnte sich nicht verliebt haben. Warum war ihm zum Heulen zumute? Nur drei Schläge hatte er ausgehalten. Wie peinlich musste er ausgesehen haben? Was hatte er gesagt? Er konnte sich nicht mehr genau erinnern. »Etwas mehr Freiheit«, wiederholte er. Ja, das war es gewesen.
    Sein Schädel dröhnte. Jeder Gedanke, jede Frage, jede Sorge ließ das Blut stärker rauschen und alles um ihn drehte sich schneller. Er sprang auf und stand vor dem Kleiderschrank. Mit aller Kraft konzentrierte er sich auf einen Punkt. Dreimal schlug er die Faust in die Tür. Egal wie sehr seine Finger schmerzten, er rammte sie weiter gegen das Holz, bis es knackte und ein Riss sich von oben nach unten durch die Schranktür zog. Im schwachen Licht, das von draußen hereinfiel, betrachtete er seine Hand, die brannte,

Weitere Kostenlose Bücher