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Zwischen dir und mir

Zwischen dir und mir

Titel: Zwischen dir und mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lino Munaretto
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Kopf herum und trieben ihr den Schweiß auf die Stirn.
    Ihre Mutter schaute zu Timmy, der still sein Nutellabrötchen aufgegessen hatte.
    »Gehst du bitte nach oben, Tim?«
    »Warum?«
    »Gehst du bitte?«, wiederholte seine Mutter leiser, aber schärfer.
    Tim öffnete wieder den Mund, um zu widersprechen, als ihn sein Vater unterbrach. Er hatte bisher nur seinen Kaffee getrunken und auf die Börsennachrichten geschielt.
    »Hör auf deine Mutter, Tim«, sagte er kühl wie immer und schaute seinen Sohn streng über die Gläser seiner Lesebrille hinweg an.
    Ihr Bruder gab auf. Kurz trafen sich ihre Blicke, als er an ihr vorbei Richtung Kinderzimmer ging. Ausnahmsweise hätte sie sich gewünscht, dass er sie nicht allein ließ. Die zwei Augenpaare ihrer Eltern waren nun nur auf sie gerichtet.
    »Wir können es verstehen, wenn du sauer auf deinen kleinen Bruder bist … Martins Mutter wusste es schon, als ich Tim heute Morgen von der Pyjamaparty abgeholt habe.«
    Lisa schüttelte nur den Kopf. Sie schuldete ihnen keine Antwort. Ihr Blick wanderte aus dem Fenster in den Garten, wo sie jetzt in der Morgensonne liegen wollte.
    »Du sollst nur wissen, dass du nichts vor uns verheimlichen musst, Lissy.«
    Sie schaute stur geradeaus, als wäre dort Luft, wo ihr Vater saß.
    Wie so oft, wenn er etwas sagte, räusperte er sich zuvor und rückte seine Brille zurecht. »Deine Mutter hat gestern lange mit mir darüber geredet. Wir machen uns wirklich Gedanken um dich. Du solltest wissen, dass wir Dennis nicht nur akzeptieren, wir schätzen ihn sehr. Und wenn ihr einen Schritt weiter gehen wollt«, er schaute zu seiner Frau, »dann ist das ganz normal!«
    Akzeptieren. Normal. Leere Worte, leer wie dieser kalte, sterile Raum. Sie schloss kurz die Augen, öffnete sie. Nichts war verschwunden.
    »Du musst keine Angst haben, dass wir das zu früh finden. Vielleicht solltest du dir noch ein wenig Zeit lassen. Aber wenn du dir dann ganz sicher bist …« Er hielt kurz inne, das Messer in der Hand, dann schmierte er weiter sein Brot.
    Schweigen. Ihr Geheimnis stand wie eine Mauer zwischen ihnen. Ihnen zu sagen, was inzwischen passiert war, was sie fühlte, hätte nur zu mehr Fragen geführt und die Mauer nicht eingerissen.
    »Sag uns, was dich bedrückt«, bohrte ihre Mutter weiter, als Lisas Blick wieder zum Fenster hinauswanderte.
    »Ich weiß nicht …« Das letzte Wort hatte sie verschluckt, schnell den Mund geschlossen und noch ein letztes Mal die Tränen zurückgehalten.
    »Es ist ganz normal, dass man mit … mit Oralsex beginnt«, fuhr ihr Vater fort.
    Lisas Mutter schaute zu ihm hinüber – etwas bestürzt darüber, dass er es so deutlich ansprach, fügte aber hinzu: »So was ist … also muss nicht verkehrt sein. Auch wenn du es dir genau überlegen solltest. Du wirst bald sechzehn. Nicht mal ein Monat mehr. Dennis ist fast achtzehn. Es ist sehr unglücklich, dass dein Bruder es gesehen hat. Ich habe mit ihm geredet. Er wird nicht noch einmal durch dein Schlüsselloch schauen.«
    Ein gutmütiges Lächeln, das Lisa nur noch mehr verzweifeln ließ. Sie wollte nichts mehr von ihnen hören. Warum konnten sie nicht schweigen? »Was wollt ihr eigentlich von mir?«, brach es aus ihr heraus. Eine dicke Träne rollte ihre Wange hinunter.
    Sie schauten sie verwirrt an.
    »Was … was wir wollen? Wir wollten dir nur das Gefühl geben, dass du mit uns …« Ihre Mutter brach ab.
    »Du kannst mit uns reden«, beendete ihr Vater den Satz nüchtern.
    »Du hast unser Vertrauen, was Dennis betrifft.«
    Lisa lachte bitter auf. »Dennis?«
    »Ja«, fuhr Lisas Mutter fort. »Er ist so ein anständiger Junge. Wir sind glücklich, dass du ihn hast.«
    Die Tränen versiegten und machten einem Gefühl von Wut Platz. »Schön. Nur dumm, dass ich ihn seit gestern nicht mehr habe!« Sie schob den Stuhl polternd zurück und war verschwunden, bevor ihr Vater noch hinterherrief: »Lisa! Wir reden miteinander …«
    Ihre Tür fiel knallend ins Schloss, da hatte sie sich schon auf das Bett geworfen. Sofort hatte sie sich in die Decke eingerollt und drückte das Gesicht in das Kissen, bis es von ihren Tränen feucht war. Lisa bemerkte nicht, wie ihre Mutter das Zimmer betrat. Erst als sich die Hand auf ihre Schulter legte, zuckte sie zusammen.
    »Lissy?«, fragte ihre Mutter leise. Die Hand strich über ihren Rücken. »Ich hatte auch viel Liebeskummer, als ich so alt war wie du. Ich hatte damals auch einen Freund – noch nicht dein Vater …«
    Lisa wischte

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