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Zwischen dir und mir

Zwischen dir und mir

Titel: Zwischen dir und mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lino Munaretto
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ganzen Pläne. Die gehen eh nicht auf, und wenn doch, dann wird es nicht so, wie du es dir vorgestellt hast. Lass dich lieber überraschen, was kommt.«
    Sie lächelte – noch nicht ganz überzeugt – und pflückte ein Schilfblatt, ließ es ins Wasser fallen, wo es auf den kleinen Wellen schaukelte.
    »Was traust du dich denn? Keine Hausaufgaben machen? Zu spät zum Unterricht kommen? Herzlichen Glückwunsch. Am Ende bist du auch nicht anders als jeder andere.«
    »Am Ende … Vielleicht hast du recht. Aber wer ist schon anders?«
    »Du.«
    »Ich? Gerade sagst du noch …«
    »Nein. Du, du bist anders!«
    »Spar dir die Komplimente«, grinste er. Warum widersprachen sich Mädchen so oft? »Du hast recht. Ich hab nichts erreicht. Na toll. Ich steh dazu. Ich will nicht an allem was ändern. Ich bin, wie ich bin. Gib’s auf. Ich will niemandem irgendetwas recht machen. Ich kann darauf scheißen, ob man mich so akzeptiert, wie ich bin.« Er seufzte. So sollte das Gespräch doch gar nicht verlaufen. Plötzlich fühlte er sich gestresst. Hier, wo er sich eben noch so frei und weit entfernt vom Rest der Welt geglaubt hatte, musste sie ihn daran erinnern, wer er war. Sie sah in ihm scheinbar doch genau den, den alle kannten. Den Versager.
    »Sieh doch nicht alles so negativ.«
    Alex rührte sich nicht, sondern starrte auf das gegenüberliegende Waldstück. Die wenigen Wolken hatte der Wind davongetragen. Die Sonne stand über den Baumwipfeln und blendete ihn. Ihr Spiegelbild zerfiel auf den Wellen in unzählige gleißend helle Streifen und tauchte den See in ein warmes Gold. Er atmete die frische, leichte Luft ein.
    »Ich sehe alles negativ? Im Gegenteil. Das Leben hat viele beschissene und wenige wunderschöne Momente für uns. Es kommt darauf an, dass wir die wenigen genießen.«
    »Und was ist das gerade für ein Moment?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich sitze an einem netten See. Neben mir …«
    Sie lächelte wieder und legte den Kopf leicht schräg. Eine Strähne wehte ihr dabei ins Gesicht.
    »Erwarte jetzt bloß kein Kompliment«, zog er sie auf. »Neben mir … ein Mädchen, das viel zu viel über ihre Zukunft nachdenkt.«
    »Haha, du beantwortest meine Frage nicht.«
    Er grinste. »Du lässt mich nicht ausreden.« Nachdenklich strich er mit seinen Fingern über die raue Oberfläche der Holzplanken und spürte die feine Maserung. »Neben mir ein Mädchen, das viel zu viel über ihre Zukunft nachdenkt … anstatt diesen Moment zu genießen.«
    »Genießen?«
    Alex hob seinen Blick und wandte sich zu Lisa. Er führte seine Finger zu ihrem Mund – dann senkte er seinen Arm und wandte sich wieder ab. »Genieß es.«
    Hätte er sie küssen sollen? Er war sich fast sicher, dass ihre Lippen ihm näher gekommen waren, sich leicht geöffnet hatten. Als wäre dort eine Verbin-dung – zwischen ihnen gewesen. Aber er hatte den Mut verloren und sich weggedreht. Auf einmal wusste er – er hätte es tun müssen. Hier und jetzt. Der Augenblick war dafür gemacht. Wenn es nur noch einen solchen geben würde, musste er sich trauen.
    »Weißt du, was wir Jungs manchmal machen, wenn wir hier sitzen?« Er musste bei dem Gedanken schmunzeln. Sie zuckte mit den Schultern. »Wir hören richtig laut klassische Musik. Irgendwas von Wagner, Beethoven oder so. Georg hat solche Kassetten von seiner toten Oma. Wenn man …« Er zögerte. »Wenn man ein bisschen was geraucht oder getrunken hat, ist das verdammt stark. Der See. Die Musik. Dann passt alles zusammen.«
    »Auf dem iPod hab ich ein paar alte Stücke. Chopin. Für die Klavierstunden.«
    »Lass hören. Vielleicht klingt’s nüchtern auch gut.«
    Sie kramte kurz in ihrer Strandtasche, dann holte sie das Gerät raus und steckte ihm einen von den Kopfhörern ins Ohr. Wieder schauten sie beide raus aufs Wasser und lauschten einfach.
    »Das ist wirklich toll hier«, bemerkte sie irgendwann leise.
    »Siehst du.«
    Sie war spontaner, als er gedacht hatte. Die Augen hatte sie geschlossen, sie saß still da, nur ihre Finger wippten im Takt. So hätte er ewig hier sitzen und ihr zuschauen können. Die Haare in ihrem Nacken flatterten ganz leicht im Wind. Dazu schwirrte die Musik in der klaren Luft und durchwebte sie mit ihren Klangfäden, bis es ein dichtes Netz war, das man fast greifen konnte.
    »Lass uns tanzen«, rief sie plötzlich und richtete sich auf. Die morschen Planken knarrten.
    »Nee … ich kann nicht tanzen. Dazu schon gar nicht«, wurde Alex verlegen. Er würde sich nur

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