Zwischen dir und mir
er auch ihr Leben kaputt machen.
Seine Augen brannten, doch sie blieben trocken. Ganz langsam trottete er in sein Zimmer und streifte nur den Pullover ab, bevor er sich schweißgebadet auf das Bett fallen ließ. Das Licht machte er nicht an. Er wollte das alles nicht sehen, die Unordnung. Boxershorts und Socken unter dem Bett. Die Jogginghose hing über dem Stuhl. Im Papierkorb alte Taschentücher. Auf dem Tisch türmte sich ein Berg von Zetteln und Schulbüchern, den er seit Monaten nicht mehr angerührt hatte. Er stellte sich vor, dass Lisa ihn so sehen würde, und wollte am liebsten alles zertrümmern und aus dem Fenster werfen. Unruhig sprang er wieder auf. Vor seinem Kleiderschrank hielt er inne und fühlte über die Stelle, wo er mit seiner Faust fast ein Loch in das Holz geschlagen hätte. Die Tür war gesplittert und ein paar schwarze Tropfen Blut klebten auf dem Lack. Er ballte die Hand zu einer Faust, aber da war keine Kraft mehr. Er öffnete sie wieder. Sie war nun schweißnass. Die Stille hielt er nicht länger aus, griff nach dem iPod und überließ seine Gedanken der lauten Musik.
• • •
Noch eine Weile starrte sie in die Nacht, in die Alex verschwunden war. Nur zwei leuchtende Katzenaugen schauten zurück. Wie spät war es? Die Sonne war gerade untergegangen. Langsam trottete sie Richtung Haustür. Doch sie konnte die Zeit weder aufhalten noch zurückdrehen. In ihrem Kopf blieb ein taubes Gefühl, während ihr Herz weiter sanft pochte.
»Lisa?« Sie schrak hoch, als ihre Mutter auf der Treppe auftauchte. »Ich hab dich mehrmals angerufen.«
»Ich … ich hab mein Handy vergessen.« Sie versuchte hektisch, ihre Gedanken zu ordnen. Sie wusste, dass ihre Mutter nicht lockerlassen würde. Irgendwas in ihr sträubte sich, sie wollte lieber die Erinnerung an Alex festhalten. Es nutzte nichts.
»Ich hab bei Marie angerufen …«
Scheiße. Sie musste sich verdammt schnell eine gute Ausrede einfallen lassen. »Hatte ich Marie gesagt?«, unterbrach sie ihre Mutter rechtzeitig.
»Ja?«, war die etwas verwunderte Antwort. »Maries Mutter sagte, ihr seid aus dem Freibad schon wieder zurück.«
Okay, so scheiße sah es dann gar nicht mal aus. Zu gut, dass Eltern immer nur die Hälfte wussten. Das war leider meistens schon viel zu viel. Marie hatte ihrer Mutter also nichts von dem Streit erzählt, nichts von Dennis. Sie hatte selbst keine Sekunde daran gedacht.
Doch warum waren die Mädchen alleine im Freibad gewesen, ohne ihr etwas davon zu sagen?
Lisa stand barfuß auf den kalten Fliesen. Gott sei Dank hatte sie vorhin den einen Ballerina schon in ihre Tasche gestopft, fuhr es ihr durch den Kopf. Was würde ihre Mutter denken, wenn sie nur mit einem ankam? So glaubte sie hoffentlich, sie wäre gleich an der Tür aus den Schuhen geschlüpft.
»Oh, ja, aber die anderen Mädels waren auch mit«, erklärte sie ihrer Mutter endlich, räusperte sich und blickte wieder auf, um einen gefassten Eindruck zu machen.
»Ich war kurz davor, die Polizei zu rufen.«
Lisa verzog ihr Gesicht. »Polizei? Was für ein Zufall. Genau da war ich. Wurde mal wieder ein Fahrrad vor dem Schwimmbad geklaut. Na ja, und ich hatte das beobachtet. Da musste ich aussagen. Das hat etwas länger gedauert.« Was für eine beschissene Ausrede.
Ihre Mutter machte große Augen, schien ihr die Geschichte aber abzunehmen – vielleicht, weil sie so verrückt war.
»Oh Gott«, sie schüttelte den Kopf. »Aber nächstes Mal rufst du an, versprochen?«
Lisa verkniff sich ein Grinsen. Sie hatte ihrer Mutter schon manchmal etwas vorgespielt. Aber selten hatte sie dabei eine solche Genugtuung gespürt – und kein schlechtes Gewissen gehabt. »Mach ich. Versprochen.«
Ihre Mutter strich ihr übers Haar, als sie an ihr vorbei nach oben ging. »Da ist nichts, was du mir noch sagen möchtest?«
Lisa blieb auf halber Treppe stehen. »Nein. Ich will nur noch mal ins Bad, bevor ich schlafen gehe. Du weißt ja, wie die Duschen im Freibad sind.«
Ihre Mutter nickte erleichtert. Vielleicht wollte sie einfach nicht wahrhaben, dass ihre Tochter sie anlog. »Und lauf nicht barfuß herum, du erkältest dich noch.«
Mit klopfendem Herzen setzte Lisa ihren Weg nach oben fort.
Ihr Haar war noch feucht, als sie sich ins Bett legte. Die Decke fühlte sich so schön weich an und doch hätte sie sich lieber an ihn geschmiegt. Schlafen war das Letzte, woran Lisa jetzt dachte. Irgendwie musste sie sich beruhigen. Nur ein Wort mehr von ihm. Sie griff ihr
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