Zwischen dir und mir
wie sie. Gelangweilt klickte sie sich durch Facebook-Profile. Aus der Parallelklasse hatte sich ein Mädchen tätowieren lassen. Der Name ihrer toten Katze stand jetzt auf ihrem Rücken. Vielleicht würde sie auch irgendwann so verzweifelt sein. Sie suchte weiter, ohne Ziel. Und fand zwischen den Verlierern überall glückliche Paare, zu denen sie sich bis vor einer Woche auch noch gezählt hatte. Sarah Reinert ist in einer Beziehung. Sie war eine flüchtige Bekanntschaft aus der elften Klasse, mit der Lisa mal gemeinsam Tennistraining gehabt hatte. Sie kannten sich kaum und trotzdem las Lisa sich alle Kommentare durch. Viel Glück, wünschte ihr jeder. Mit jeder Zeile drückte der Schmerz ein wenig stärker auf ihre Brust. Es war egal, ob sie tatsächlich glücklich wurden. Immerhin konnten sie so tun. Es sich einreden. Und einsam waren sie nicht. Zumindest für den Augenblick. Lisa »gefiel das«. Eifersüchtig wollte sie nicht sein. Oder war sie das nicht schon längst?
What if?
Ihre eigene Profilseite kam ihr fremd vor.
Gefällt mir: Tennis, meine Freunde, Sommer, Cro, Rihanna, Mila Kunis.
Sie hätte ebenso gut nichts eintragen können.
Ihr Leben war ein unbeschriebenes Blatt, in dem sie nicht die Worte fand, es zu ändern.
Oh, and what if I had you and, what if you had me and baby, what’s the reason we can’t fall in love?
What if …
Ihre Fotos.
Marie hatte die Fotos, auf denen sie und Lisa mit Einkaufstaschen bepackt vor Abercrombie & Fitch standen und sich auf den Mund küssten, bereits gelöscht. Auch die Gruppenfotos vom vorletzten Mädelsabend waren verschwunden. Mit zwei Klicks hatte Lisa auch ihre Erinnerungen gelöscht. Es blieben ein paar Fotos von einem Tennisturnier aus dem letzten Jahr. Die, auf denen sie mit Dennis Hand in Hand gestanden hatte, musste er bereits runtergenommen haben. Ein paar Kommentare von fremden Jungs verblieben:
Hübsches Mädchen.
Geile Sau.
Wunderschön.
Mehr davon.
Mehr nicht.
»Du und ich, das passt nicht.« Lisa musste die Tränen herunterschlucken, wenn sie sich an seine Worte erinnerte.
Sie ließ die Musik weiterlaufen, stellte das MacBook auf den Nachttisch und drehte sich auf den Rücken. Alle Glieder von sich gestreckt, schaute sie zur Decke. Weiß, leer, unerfüllt war ihr Zimmer. Lichtdurchflutet, und doch, als würde sich ein Schatten über sie senken.
Sie wollte seine Worte nicht wahrhaben. Aber wahrscheinlich hatte sie ihn viel zu sehr unter Druck gesetzt. Sie war am Ende doch nicht anders als die anderen Mädchen.
In ein Café hatte sie ihn eingeladen. Ziemlich einfallslos. Alex hatte sie an einen verbotenen, abgelegenen See geführt. Ein bisschen verrückt. Und doch etwas Besonderes, das er sich ganz bestimmt nur für sie ausgedacht hatte.
Auf einmal kam sie sich so bescheuert vor. Sie hatte es sich einfach machen wollen. Sich eingebildet, dass auch er auf sie stand. Sie war wütend auf sich selber. Wer war sie schon? Ihre Welt, die von vielen. Seine, eine, die anders war. Dort wollte sie auch hin. Aber sie hatte ihre Chance vertan.
Der Zeiger ihres Weckers ging seinen Weg immer weiter.
Sie sprang auf. Sie musste doch irgendetwas tun können. Sie wollte ihm zeigen, dass sie alles vergessen konnte, außer ihn. In ihrer Chat-Liste suchte sie Alex heraus. Abwesend.
Sie öffnete sein Fenster und tippte eine Nachricht.
Hi.
Doch bevor sie sie abschicken konnte, hielt sie inne. Zurück in der Liste suchte sie Georg heraus.
Lissy: hi
Georg: hey, liss :)
Lissy: alles klar bei dir?
Georg: weil du mir schreibst … natürlich ;) bei dir?
Lissy: mir gehts gut. was machst du heute so?
Georg: chillen mit freunden … du?
Lissy: mädelsabend ;) wo trefft ihr euch?
Georg: kp … vielleicht im schulpark und danach zu mir.
• • •
Die Nacht verschluckte die Ferne. Nur das Licht einer Laterne erhellte die Gesichter etwas. Sie hatten ihre Fahrräder und Rucksäcke bei den Bänken abgestellt, auf denen sie ihre Freistunden verbrachten. Dosenbier und Döner, das übliche Abendbrot.
Georg hatte ein Misch-Paper aus einem Pizzaflyer gebastelt und drehte den Tabak aus einer Zigarette, sodass er langsam in die Mitte des Papiers rieselte, wo er schon die zerkleinerten Knollen verteilt hatte.
»Das Zeug ist echt nicht schlecht. Mit Julian hatte ich neulich einen verdammt geilen Abend damit«, bemerkte Frederik, ein Cousin von Julian, der für eine Woche zu Besuch war.
»Stimmt«, kicherte Julian und rieb sich die kalten Hände.
»Was ist los,
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