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Zwischen dir und mir

Zwischen dir und mir

Titel: Zwischen dir und mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lino Munaretto
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Zurück mehr gab. Ihr Leben war eine einzige Lüge gewesen und sie hatte daran geglaubt.
    Der Lehrer trat ein, die Tür fiel zu. Kreide kratzte an der Tafel. Buchseiten wurden umgeblättert. Papier raschelte. Wieder tuschelten sie. Lästerten. Bis irgendwann alles an Lisas Ohr vorbeirauschte. Erst das schrille Läuten zum Stundenende weckte sie aus dem Albtraum.
    Sie war die Letzte im Klassenraum, als sie ihre Tasche über die Schulter warf und langsam an den leeren Tischreihen vorbei zur Tür trottete. Ein dunkelblonder Haarschopf, ein gelber Kapuzenpullover, alte Sneakers. Sie wollte sich in seine Arme schmiegen. »Alex«, rief sie erleichtert. Er würde die ersehnte Rettung sein. Doch als er sich umdrehte, wurde ihr klar, dass etwas nicht stimmte.
    Als sie ihm zum Abschied in die Augen geschaut hatte, war da etwas gewesen, was sie verband. So ein Gefühl, das ganz sicher auch er haben musste. Aber jetzt war es aus seinem Gesicht verschwunden. Sein Blick war kühl und abweisend, ganz als wolle er sich vor ihr verschließen.
    Sie blieb vor ihm stehen und schaute zu ihm hoch, während sie verlegen an den Bändern seiner Kapuze zupfte. »Hi«, flüsterte sie.
    »Hi«, gab er mit einem schiefen Lächeln zurück und schaute an ihr vorbei.
    »Warum schreibst du mir nicht?«
    Alex zuckte nur mit den Schultern.
    »Sind wir nicht so … so weit gewesen?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Warum mussten Enttäuschungen so plötzlich kommen? So viele aufeinanderfolgen?
    »Vergiss es. Ich bin einfach nicht das, was du dir vorstellst. Die große Liebe, die du suchst – das bin ich nicht.«
    Es traf sie unendlich viel schmerzvoller als alles, was sie an diesem Morgen schon erlebt hatte.
    »War es denn nicht schön?«, flüsterte sie nur und schaute suchend in seine Augen.
    Er schien mit sich zu ringen, er schob seine Hände in die Hosentaschen und schluckte. »Und wenn ich noch einmal sage, dass es der wundervollste Tag war, den ich erlebt habe. Was ändert es? Willst du es hören? Soll ich dich noch einmal mehr enttäuschen?«
    »Du hast mich nie enttäuscht. Du enttäuschst mich, wenn du jetzt alles kaputt machst.«
    »Du weißt doch gar nicht, wer ich bin.«
    »Warum gibst du uns denn nicht eine Chance?«, flehte Lisa. Alex schüttelte nur den Kopf. »Du und ich – das passt nicht.«
    »Wieso?« Mehr als diese Frage fiel ihr nicht ein, denn in ihr begann alles zu schmerzen. Alles, was gestern noch zusammenpasste, zerriss mit einem Mal.
    »Wir sind einfach zu verschieden. Du hast mehr verdient als mich.«
    Warum sagte er das? Sie musste sich auf die Lippen beißen, um nicht die Fassung zu verlieren. Es tat nur noch stärker weh. Das konnte nicht wahr sein. Es durfte nicht sein.
    »Vor einer Woche hattest du noch einen Freund. Vielleicht hab ich dein Leben auf den Kopf gestellt. Es tut mir leid. Aber denk mal nach, ob ich es wirklich wert bin, dass du alles für mich aufgibst.«
    Natürlich bist du das, wollte sie widersprechen. Warum konnte sie nicht? Verlassen stand sie da, als er sich wegdrehte und, ohne sich noch einmal umzusehen, zwischen den Schülern verschwand, die kreuz und quer über den Flur liefen.
    Alle hatten ein Ziel, wechselten den Klassenraum, gingen zur Cafeteria, nutzten die Pause, um auf die Toilette zu gehen. Nur Lisa blieb stehen, den Rücken an die kalte Wand gelehnt. Die Jungen, die sie im Vorübergehen musterten, hätte sie am liebsten geschlagen. Aber das war es nicht wert. Nichts war etwas wert.
    Jeder Tag dieser Woche verstrich wie der vorherige. Kalt, einsam, leer. Ständig gehetzt, ständig in Angst. Nie hätte Lisa gedacht, dass Blicke so verletzen könnten. Zu Hause freundete sie sich mit der Einsamkeit an – ohne dass sie dabei glücklich wurde. Aber zumindest konnte sie für eine kurze Zeit ihre Tür vor der Außenwelt verschließen.
    Manchmal saß sie nur wie gelähmt vor dem Spiegel und betrachtete das Mädchen, das ihr gegenübersaß. Vor ihr eine Batterie an Parfumflaschen. Große Flakons, Proben aus Duty-Free-Shops oder von Douglas. Chanel, Thomas Sabo, Dior, Boss . Sie hätte große Lust gehabt, sie alle mit einer Hand von dem kleinen Schminktisch zu wischen, sodass sie auf dem Boden zersplittern würden. Doch dazu fehlte ihr der Mut. Stattdessen legte sie sich wieder auf ihr Bett und versuchte, sich durch Musik abzulenken. Kein Lied wollte ihr gefallen. Sie suchte in ihrer iTunes-Bibliothek, bis sie etwas gefunden hatte. Ein alter Song, der passte: What If … er stellte die gleichen Fragen

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