Zwischen Ehre und Verlangen
nieder.
“Mr. Brownsmith hat den Park bewundert, Jane”, wandte Amanda sich an sie. “Ich habe ihm gesagt, die Gestaltung der Anlagen sei dein Werk. Herein!”, fügte sie laut an.
Der Butler betrat den Salon, verbeugte sich und fragte: “Sie wünschen, Madam?”
“Servieren Sie bitte Tee, Howlett”, antwortete sie.
“Sehr wohl, Madam”, erwiderte er und zog sich zurück.
Amanda hatte das ungute Gefühl, er missbillige es, dass sie so lange unter vier Augen mit Mr. Brownsmith gesprochen hatte, und befürchtete, die Dienstboten, die hoffentlich noch nicht wussten, unter welchen Umständen sie und der Besucher sich zum ersten Mal begegnet waren, würden bereits über sie klatschen.
Sie wandte die Aufmerksamkeit wieder Mr. Brownsmith und ihrer Freundin zu und stellte fest, dass beide sich angeregt über Landschaftsgärtnerei unterhielten. Eine Weile hörte sie sehr erstaunt zu, bis Howlett mit dem Teewagen kam, servierte und sich wieder entfernte.
“Mich dünkt, Sir, dass Sie großes Interesse am Gärtnern haben”, wandte sie sich dann verblüfft an ihn.
“Ich mag diesen Anschein erwecken, weil ich Ihren Park bewundert und Miss Porter fasziniert zugehört habe, aber ich kann mich nicht erinnern, je selbst auf diesem Gebiet tätig gewesen zu sein.”
“Ich wünschte, ich wüsste, wie wir Ihrem Gedächtnis nachhelfen können”, erwiderte Jane ernst.
Im Stillen lächelte Amanda über ihre Freundin, die in Bezug auf Mr. Brownsmith einen so jähen Sinneswandel vollzogen hatte. Da er einen guten Eindruck auf sie zu machen schien, hatte Jane offenbar nicht mehr das Bedürfnis, ihn von ihr zu trennen.
“Auch ich bin leider ratlos”, gab er zu.
“Möglicherweise würde Ihr Erinnerungsvermögen zurückkehren, wenn Sie wieder einen heftigen Schlag auf den Schädel erhielten”, meinte Jane und sah Mr. Brownsmith sie erschüttert anschauen. “Machen Sie kein so entsetztes Gesicht, Sir. Ich könnte wetten …”
“Eine Wette!”, fiel er ihr aufgeregt ins Wort. “Jetzt entsinne ich mich, dass ich einer Wette wegen kaum Geld bei mir hatte.”
“Fällt Ihnen ein, mit wem Sie sie abgeschlossen haben und wo?” erkundigte Amanda sich eifrig.
“Lassen Sie mich nachdenken”, murmelte er. “Ja, ich erinnere mich, dass ich mit einigen Männern Karten gespielt habe und einer von ihnen mir vorgehalten hat, ich würde mich nicht so über seine knapp bemessene Barschaft mokieren, müsste ich zwei Wochen ohne mein Vermögen, meine Dienstboten und meine Visitenkärtchen auskommen.”
“Ist das alles?” fragte Amanda enttäuscht. “Das hilft uns nicht sehr viel weiter.”
“Nun, zumindest können wir unterstellen, dass ich begütert genug sein muss, um mir ein kostspieliges Auftreten leisten zu können”, erwiderte Jared ruhig.
“Das trifft auf viele vornehme Herren zu”, warf Jane ein. “Dennoch glaube ich, dass wir mit vereinten Kräften dazu beitragen können, Ihnen zu Ihrer Identität zu verhelfen.”
“Mit vereinten Kräften?” wiederholte Amanda verdutzt.
“Nun, ich sehe keinen Grund, warum ich Mr. Brownsmith und dich nicht dabei unterstützen sollte”, antwortete Jane lächelnd.
Amanda wusste nicht, was sie von dieser Kehrtwende halten sollte. Offensichtlich hatte Jane ihren Verdacht, Mr. Brownsmith sei ein Abenteurer, erstaunlich schnell fallen gelassen und wollte ihm jetzt nur noch aus seiner misslichen Lage helfen. Diese Entwicklung der Dinge kam etwas überraschend und bedeutete, dass Amanda weiterhin Kontakt zu ihm haben konnte, auch wenn das vielleicht nicht schicklich war. Sie überlegte noch, wie sie sich aus der Affäre ziehen könnte, als jemand an die Tür klopfte. “Herein”, rief sie, froh über die Störung.
Der Butler betrat den Salon, verbeugte sich und sagte: “Mr. Clare wünscht Sie zu sprechen, Madam.”
Es war ihr nicht genehm, den angeheirateten Vetter ausgerechnet jetzt empfangen zu müssen, aber es hätte keinen Sinn gehabt, sich verleugnen zu lassen. “Bitten Sie Mr. Clare herein”, erwiderte sie.
“Sehr wohl, Madam”, äußerte Howlett höflich und verließ den Raum.
Einen Moment später ließ er Humphrey eintreten. Ohne sich zu erheben, sagte Amanda kühl, während Mr. Brownsmith aufstand: “Guten Tag, Humphrey. Darf ich vorstellen? Mr. Clare. Mr. Brownsmith, der hier in der Gegend zu Besuch ist.”
Die Herren begrüßten sich mit einer leichten Verneigung und nahmen auf Mrs. Clares einladende Geste hin Platz.
Misstrauisch verengte Humphrey die
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