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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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denkst, ich wäre so ein Freak. So ein Engelabklatsch, oder was ähnliches. Bei
dem
Gedanken flippst du nicht aus.«
    »Oh, glaub mir, wenn du erst einmal deine Flügel gespreizt hättest, wäre ich auch durchgedreht.«
    Niki lächelt schief, hebt beide Arme. »Keine Flügel. Sorry.«
    Ich beruhige mich langsam, obwohl mein Herz noch wie verrückt schlägt. Schon beginnt mein Verstand zu bearbeiten, was er eben aufnehmen musste. Bücher fallen nun mal, nicht wahr? Es war ein Trick. Nur leider weiß ich es besser. Ich gehe weiter, werde aber langsamer.
    Niki bleibt neben mir.
    »Also. Wie machst du es?« Ein großer Teil von mir wünscht sich natürlich immer noch, dass es ein Trick war.
    »Ich mache nichts. Sie machen es.«
    Ich will erst gar nicht fragen, wer sie sind. Weiß es ja eh.
    »Ich hab einen Teil von ihnen mit hochgenommen. Nichts Gruseliges, nun schau mich nicht so an. Nur eine Haarsträhne. Das reicht aber auch schon. Ich hab nichts gesagt, nichts befohlen, oder so. Ich hab die Bücher aufgebaut und gedacht: So, nun macht mal.«
    »Und das haben sie dann.«
    »Zuerst nicht. Ist nichts passiert. Und dann habe ich mich konzentriert. Oder besser: gebündelt. Anders kann ich es nicht beschreiben. Auf das Gefühl, wenn ich mit ihnen rede, die Kraft. Ich hab sie genommen und auf die Bücher gelenkt. Es ist wie bei den Sonnenstrahlen, die um uns herum sind. Als wäre ich so eine Art Lupe.«
    »Gebündelt? Lupe?« Ich fasse es nicht. »Und was haben deine Versuchskaninchen dazu gesagt?«
    »Gar nichts. Das war eigentlich das Erstaunlichste. Ich weiß gar nicht, ob sie das überhaupt mitgekriegt haben. Auf jeden Fall haben sie sich nicht gemeldet.«
    Ich atme tief durch. Zähle bis zehn. »Niki«, sage ich dann, »meinst du wirklich, du solltest so damit umgehen? Damit spielen?«
    »Spielen? Das war kein Spiel. Ich wollte ausprobieren, wie weit sie gehen können.«
    »Aber so wie ich dich verstanden habe, waren sie doch gar nicht beteiligt? Haben sie ja nicht mal reagiert? Wie weit
du
gehen kannst, muss es dann wohl richtig heißen.«
    Er antwortet nicht.
    Ich schüttele den Kopf. »Vielleicht hat es doch einen Sinn. Vielleicht hat es einen Sinn, dass du das kannst, was du eben kannst.«
    Niki lacht bitter auf. »Klar«, sagt er. »Ich soll verlorene Ray-Ban-Sonnenbrillen finden und Autos streicheln.«
    »Vielleicht tust du mehr? Vielleicht weißt du es nur nicht?«
    Jetzt ist es Niki, der wütend wird. »Wunderbar. Jetzt kommt wieder dieser Engelquatsch, ja?«
    »Nun, es wäre immerhin eine Erklärung. Vielleicht sollst du Seelen irgendwo hinbringen, oder so. Vielleicht weiterleiten. Vielleicht …«
    »Hörst du jetzt endlich auf? Ich bin kein Todesengel. Gar kein Engel. Ich
glaube
nicht einmal an Engel.« Nikis Augen schleudern Eisblitze.
    »Ich auch nicht«, sage ich. Und trotzdem: Wäre es nicht schön? Abgeholt zu werden, meine ich. Jemand der kommt, um deine Seele abzuholen und mitzunehmen? Das sage ich Niki.
    »Zu holen? Wohin denn holen?« Er will es vielleicht nicht, aber seine Stimme klingt verzweifelt.
    ›Nach Hause‹ hätte ich beinah gesagt und sofort stand mir unser altes Haus vor Augen, die Auffahrt, die Haustür, die sich öffnet. Mein Vater, der die Arme ausstreckt, dahinter ein helles Leuchten, wahrscheinlich Wolken … Das ernüchtert mich wieder. Ich schüttele den Kopf. »Du glaubst also auch nicht an den Himmel?«
    Wir sind an einer verlassenen Weide angekommen. Niki setzt sich auf eine umgedrehte Badewanne, die wohl mal als Tränke gedient hat. Er nimmt einen Stock und sticht damit in den Boden vor sich. Ich bleibe stehen.
    »Ich glaube daran«, sagt er, »dass die Toten um uns herum sind. Immer. Ständig.«
    Na ja, daran muss er ja wohl auch glauben, wenn er sie schon hört.
    »Nicht wie du jetzt denkst«, ergänzt er. »Ich glaube, und ich kann mich natürlich irren, dass die Seele oder der Geist den Körper verlässt. Und sich auflöst. Aufgeht, wäre vielleicht das bessere Wort. In die Natur, dies hier, die Welt.« Er macht eine ausholende Bewegung.
    »Aber du … du sprichst mit ihnen.«
    »Mit einigen, ja.« Niki ersticht ein Grasbüschel. »Mit denen, die nicht sofort gehen. Weil sie etwas zu erledigen, etwas zu sagen, noch zu tun haben. Sich verabschieden müssen. Wenn sie das getan haben, ist es vorbei.«
    Vorbei. Es ist vorbei? »Aber du hast auch behauptet, dass sie erst nach der Beerdigung nicht mehr da sind.«
    »Nein, das habe ich nicht. Ich habe nur gesagt, dass zu mir

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