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Zwischen Ewig und Jetzt

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Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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entschuldigt, ich mich auch.
    »Ach nein, geht nicht«, fällt mir da ein. Ich rupfe mir den Stecker wieder raus. »Ich muss nachher ins Heim, noch ein paar Sachen von meinem Opa regeln.« Und das stimmt sogar: Ich habe mir fest vorgenommen, heute noch bei meinem Opa einzubrechen und sein Zimmer nach dem Testament zu durchsuchen. Doch, das ist auch eine Art, Sachen zu regeln.
    »Dann das nächste Mal«, sagt Fred und nickt mir zu. Sie bemüht sich, nett zu der armen Irren zu sein.
    Anni nicht. Sie ist oberflächlich gesehen freundlich, aber das war Brutus zu Caesar schließlich auch, um mal auf unser Referat zurückzukommen. Wenn sie denkt, dass ich es nicht sehe, wirft sie mir Mörderblicke zu.
    Der Bus kommt, öffnet mit einem Schnaufen seine Türen. Ich setze mich wie immer neben Felix, küsse ihn zur Begrüßung auf die Wange.
    »Findest du das mit dem Umweg nicht langsam lächerlich?«, fragt er, erwartet aber wohl keine Antwort, denn er sieht gleich wieder aus dem Fenster.
    Ich starre auf den iPod mit den Kopfhörern in meinem Schoß. Der Bus fährt an.
    Nach einer Weile fällt Felix wohl selbst auf, dass das eben recht unfreundlich war. »Was hörst du da?« Er greift rüber, nimmt mir einen Kopfhörer weg und stöpselt ihn sich ins Ohr. »Uh, Lady Gaga.« Er verzieht das Gesicht.
    »Man kann nicht angepustet werden, wenn man die Dinger im Ohr hat.«
    Felix zieht sich den Stecker aus dem Ohr und lässt ihn zurück in meinen Schoß fallen. »Das war ja klar.«
    »Was war klar?« Ich muss mich bemühen, leise zu reden.
    »Dass es mal wieder darum geht.« Felix’ Augen sind kalte Seen. »Dass du geradezu besessen bist von dieser Geistersache.«
    »Besessen? Es muss grässlich sein, von einem Geist angepustet zu werden: Kannst du dir das denn nicht vorstellen?«
    Nein, kann er nicht. »Alles dreht sich nur noch darum. Dabei weißt du doch gar nicht, ob ›dein‹ Geist das auch kann.« Felix hat sich zu mir gebeugt, seine Stimme gesenkt.
    »Nun, die aus der Pathologie haben das gesagt.«
    »Wir wissen überhaupt nicht, was
die
gesagt haben. Falls
die
überhaupt etwas gesagt haben.« Er sieht wieder aus dem Fenster. »Das ist doch alles verrückt«, setzt er murmelnd hinzu.
    Ich fasse es nicht. »Verrückt?«, zische ich zurück. »Denkst du, ich bin verrückt? Ist es das, was du sagen willst?«
    »Wovon redet ihr?« Maximilian hat sich hinter uns über die Lehne gehängt.
    »Über Wahnsinn«, sagt Felix, ohne den Kopf zu drehen.
    »Wahnsinn?«, hakt Maximilian nach.
    »Ja. Wie der von Brutus, der Caesar erdolchte«, versuche ich abzulenken.
    »Der war wahnsinnig?«
    Ich drehe mich halb zu ihm um. »Na, wie würdest du es denn nennen, deinen Vater, Ziehvater oder was-weiß-ich-Vater zu erdolchen?«
    »Gerecht«, sagt Maximilian und lässt sich wieder in seinen Sitz zurückfallen.
    Ich sehe verblüfft zu Felix, doch der reagiert nicht und beobachtet seine Umwelt mit einem Interesse, als würde er diese Strecke zum ersten Mal fahren.
    Maximilian, soso. Sieht so aus, als wäre ich nicht die einzige mit einem ausgeprägten Vaterkomplex.
     
    In meinem früheren Leben hatte ausgerechnet Karolin eine besonders gute Beziehung zu meinem Vater. Ihre Eltern waren geschieden, und Karolin unterhielt sich gern mit Papa, fühlte sich ernst genommen. Erst spät kam ich auf den Gedanken, dass er auch sie betrogen hatte. All die Gespräche über afrikanische Elefanten, die Dürre, die Armut müssen im Nachhinein etwas Lächerliches gehabt haben. Sie hat ihm einmal ein Radio geschenkt, das keine Batterien benötigte und das man nur ankurbelte. Wegen der vielen Stromschwankungen. Ich weiß nicht, wo sie es herhatte, und sie bekam damals nur ein winziges Taschengeld.
    Sie tat, was sie tun musste, um über meinen Vater hinwegzukommen, und den Angriffen mit Worten folgten Taten. Sie kniff mich, boxte mich. Einmal stellte sie mir ein Bein. Im Schwimmunterricht spritzte sie mir Wasser ins Gesicht, sobald ich an ihr vorbeikam. Jede Runde, die wir schwimmen mussten. Und jedes Mal sagte sie: »Oh, entschuldige.«
    Vielleicht, wenn ich ihn preisgegeben, ihn nicht verteidigt hätte. Vielleicht hätte es dann aufgehört. Wir hätten gelacht, bitter gelacht über all das, was wir geglaubt haben. Ich hätte seinen Verrat mit ihr teilen müssen, mehr nicht. Aber wer kann das schon?
    Irgendwann schubste sie mich die Treppe runter und ich verstauchte mir das Handgelenk. Danach war es vorbei. Unsere Freundschaft, ihr Hass, einfach alles. In die

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