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Zwischen Ewig und Jetzt

Zwischen Ewig und Jetzt

Titel: Zwischen Ewig und Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lucas
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durchschaut hat. Dass er weiß, wo ich wohne, dass er auch weiß, dass ich nicht die bin, die ich vorgebe zu sein. Vielleicht kennt er sogar die ganze Wahrheit. Meine ganze Vergangenheit. Das würde wiederum auf Justin hinweisen, nur: Was hätte er davon?
    Und dann:
Ich lasse dich nicht aus den Augen.
    Das ist, genau genommen, am widerlichsten. Das ist eine Botschaft, die meine Zukunft betrifft und die mir sagt, dass, wer immer das auch geschrieben hat, nicht die Absicht hat, damit aufzuhören.
    Ich suche mir die Nachricht wieder hervor und starre sie gedankenverloren an.
    Irgendwo klingelt eine Glocke. Nicht gerade ein ohrenbetäubendes Läuten, eher ein leises Anklingen, aber etwas kommt mir bekannt vor.
Aus den Augen lassen, aus den Augen lassen
. Waren es nicht schöne Frauen, die man nicht aus den Augen lassen sollte? Waren das nicht Eriks Worte? Nein, schöne Frauen soll man nicht
warten
lassen, hat er gesagt. Das mit den Augen kam von Anni.
    Anni.
    Könnte es sein? Sie kann mich nicht leiden, allerdings dachte ich bislang immer, das hätte etwas mit ihrer ruinierten Party zu tun. Und der Schritt vom »nicht mögen« bis zum Briefeschreiben ist doch recht krass, oder? Aber es ist eine Erklärung. Die einzige, die ich habe.
    »Kommst du nicht weiter?«, fragt meine Mutter mir gegenüber, die von ihrem Laptop hochsieht.
    »Und ob«, erwidere ich.
     
    »Anni?« Felix betrachtet mich mit gefurchter Stirn. »Das ist doch albern.«
    »Klar ist das albern. Solche Briefe zu schreiben ist auch albern.«
    »Ja. Aber Anni?«
    Wir lehnen an den Bodenmatten im Gerätegraben. Neben uns wird gepritscht und gebaggert, ab und an sind spitze Rufe zu hören. Oder ein Klatschen, danach Jubel. Ehrlich, ich hab noch nie begriffen, was die Leute an Sport finden.
    »Ich kann mir das nicht vorstellen.« Felix fährt sich durchs Haar. Das macht er nur sehr selten, seine ordentliche Unordnungsfrisur in Unordnung zu bringen, also geht es ihm wirklich nahe.
    Naja, mir ja auch. Ich finde es auch nicht gerade prickelnd, wenn mich eine angebliche Freundin anonym bedroht. »Sie hatte die Gelegenheit. Überleg doch mal: Der erste Brief wurde auf dem Computer in ihrem Wohnzimmer geschrieben. Und gestern, im Café, waren wir bestimmt eine Viertelstunde vor euch da. Und ich war einmal auf Toilette. Es ist ja wohl ein Leichtes, währenddessen einen Brief in meine Tasche zu stecken.«
    Jubel von nebenan. Eine Pfeife, dann wieder Klatschen.
    Felix erwidert nichts.
    »Ich weiß nur nicht, warum sie so etwas tut«, überlege ich weiter. »Dafür braucht man doch schon ein starkes Motiv, nicht wahr? Hass, oder so. Ich habe ihre Party ruiniert, nun gut. Aber warum hasst sie mich so?«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Anni dich hasst.«
    Felix sieht zum Anbeißen aus in seiner kurzen Hose und der Trainingsjacke über dem knalligen T-Shirt, mit den dicken Schienbeinschützern unter den Kniestrümpfen und dem Handschuh. Die Jungs spielen Hockey, und Felix sollte eigentlich schnell noch ein paar Bälle holen. Ich habe ihn abgefangen. »Weißt du eigentlich, dass du so verschwitzt echt sexy aussiehst?«
    Felix muss wider Willen lächeln. »Ich dachte, das hättest du schon eher herausgefunden.«
    »Verschwitzt und in Sportklamotten.«
    Felix lacht. »Du scheinst das Ganze ja recht locker zu nehmen.«
    »Glaub mir: Die Erleichterung, nicht mehr von einem Geist verfolgt zu werden, ist recht groß.« Ich hatte ihm dann doch irgendwann erzählen müssen, dass der Geist Justins Mutter gewesen ist. Dass sie uns zukünftig in Ruhe lässt. Mehr wollte er gar nicht darüber wissen. »Mit Anni kann ich es wenigstens aufnehmen«, fahre ich fort. »Die macht mir keine Angst.«
    »Anni.« Felix schüttelt den Kopf. »Soll ich mit ihr reden?«
    »Auf keinen Fall. Wir müssen sie erwischen. In flagranti, sozusagen.«
    Felix zieht mich an sich. »Du siehst zu viele Krimis. Wir können Anni nicht rund um die Uhr überwachen. Außerdem ist das langweiliger, als du dir vorstellst. Nein, ich denke, ich sollte mit ihr reden.«
    »
Ich
sollte mit ihr reden, wenn überhaupt.«
    Wieder das ohrenbetäubende Pfeifen. Es wird geklatscht.
    Felix deutet in die Richtung. »Vermissen die dich nicht?«
    »Im Gegenteil: Die sind froh, wenn ich nicht mitspiele.«
    »Kann ich mir gar nicht vorstellen«, flüstert Felix und küsst mich.
    Und ich küsse ihn, und das Ballgetrommel und Quietschen der Turnschuhe ist weit, weit weg.
    »Aber leider«, seufzt Felix und schiebt mich irgendwann

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