Zwischen Himmel und Liebe
andeuten wollte, dass seine Tante nicht ganz richtig tickte. »Er hat gesagt, dass er die Oliven natürlich alle aufisst.«
»Wie höflich von ihm«, murmelte Elizabeth, während sie weiter in der Schublade kramte. »Aber du solltest dafür sorgen, dass auch wirklich jeder Krümel verputzt wird, sonst isst Ivan heute zum letzten Mal mit uns.« Sie ging wieder aus der Küche.
»Keine Sorge, Elizabeth, ich werde das alles aufmampfen, garantiert«, versprach ich und nahm einen großen Bissen. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, nie mehr mit Luke und seiner Tante essen zu dürfen. Elizabeth hatte traurige Augen. Traurige braune Augen. Und ich war überzeugt, dass ich sie glücklich machen konnte, indem ich jeden Krümel verputzte. Deshalb beeilte ich mich mit dem Essen.
»Danke, Colm«, sagte Elizabeth müde und nahm dem Polizisten die Autoschlüssel ab. Langsam ging sie um den Wagen herum und inspizierte den Lack genau.
»Sieht aus, als wäre nichts kaputt«, meinte Colm, der sie beobachtete.
»Nicht am Auto jedenfalls«, versuchte sie zu scherzen und klopfte auf die Kühlerhaube. Ihr war das immer peinlich. Mindestens einmal pro Woche gab es irgendeinen Vorfall, bei dem die Polizei eingreifen musste, und obwohl die Polizisten die Situation nie anders als professionell und höflich behandelten, schämte sich Elizabeth trotzdem. Sie bemühte sich noch mehr als sonst, »normal« zu erscheinen, nur um zu beweisen, dass es nicht ihre Schuld und dass nicht
jeder in dieser Familie
verrückt war. Sie rieb die Schlammspritzer mit einem Papiertaschentuch sorgfältig ab.
Colm sah sie mit einem traurigen Lächeln an. »Sie ist verhaftet worden, Elizabeth.«
Elizabeth fuhr hoch. »Colm«, entgegnete sie schockiert. »Warum denn?« Das war noch nie vorgekommen. Bisher war Saoirse verwarnt und dann dort abgesetzt worden, wo sie eben gerade wohnte. Elizabeth wusste, dass das unprofessionell war, aber in einer Kleinstadt, wo jeder jeden kannte, hatten sie Saoirse einfach im Auge behalten und dafür gesorgt, dass sie nichts allzu Blödes anstellte. Aber jetzt hatte sie den Bogen anscheinend überspannt.
Nervös drehte Colm seine Garda-Mütze in den Händen. »Sie ist betrunken Auto gefahren, Elizabeth, in einem gestohlenen Wagen, und sie hat nicht mal einen Führerschein.«
Bei seinen Worten bekam Elizabeth eine Gänsehaut. Saoirse war gefährlich. Warum fühlte sich Elizabeth immer noch verpflichtet, sie zu beschützen? Wann würde sie endlich begreifen und auch akzeptieren, dass ihre Schwester niemals ein Engel werden würde, sosehr sie, Elizabeth, sich das auch wünschte?
»Aber das Auto war nicht gestohlen«, stammelte Elizabeth. »Ich hab ihr gesagt, sie k…«
»Nicht, Elizabeth.« Colms Stimme klang fest.
Sie musste sich den Mund zuhalten. Schließlich holte sie tief Luft, versuchte, die Nachricht zu verdauen und sich wieder in den Griff zu bekommen. »Muss sie vor Gericht?«, fragte sie, ihre Stimme nur ein Flüstern.
Verlegen sah Colm zu Boden und schob mit der Fußspitze ein Steinchen herum. »Ja. Inzwischen gefährdet sie ja nicht mehr nur sich selbst, sondern auch andere.«
Elizabeth schluckte schwer und nickte. »Nur noch eine Chance, Colm«, stieß sie kloßig hervor, während sie merkte, wie ihr Stolz verpuffte. »Geben Sie ihr noch eine Chance … bitte.« Vor allem das letzte Wort tat weh. Mit jedem Knochen in ihrem Körper flehte sie ihn an. Elizabeth bat nie um Hilfe. »Ich werde auf sie aufpassen, das verspreche ich Ihnen, ich werde sie keine Minute aus den Augen lassen. Sie wird sich bessern, ganz bestimmt, sie braucht nur ein bisschen Zeit.« Elizabeth spürte, wie ihre Stimme zitterte. Mit puddingweichen Knien bettelte sie für ihre Schwester.
Aber Colm antwortete ein bisschen traurig: »Es ist zu spät. Wir können es jetzt nicht mehr ändern.«
»Was für eine Strafe wird man ihr aufbrummen?« Elizabeth war übel.
»Das hängt alles davon ab, welcher Richter an dem Tag die Verhandlungen führt. Es ist ihr erster Gesetzesverstoß oder zumindest ihr erster, der bekannt geworden ist. Möglicherweise gibt es deshalb ein mildes Urteil, möglicherweise aber auch nicht.« Er zuckte die Achseln und blickte auf seine Hände hinunter. »Und es hängt auch davon ab, was der Polizist sagt, der Saoirse verhaftet hat.«
»Warum?«
»Wenn sie sich kooperativ verhalten und keinen Ärger gemacht hat, könnte das positiv bewertet werden. Vielleicht …«
»Vielleicht aber auch nicht«, ergänzte
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