Zwischen Himmel und Liebe
Elizabeth mit besorgter Stimme. »Und? Hat sie sich kooperativ verhalten?«
Colm lachte leise. »Na ja, zwei Leute mussten sie festhalten.«
»Verdammt!«, fluchte Elizabeth. »Wer hat sie denn festgenommen?« Sie knabberte nervös an den Nägeln.
Nach einer kurzen Pause antwortete Colm: »Ich.«
Ihr blieb der Mund offen stehen. Colm hatte schon immer eine Schwäche für Saoirse gehabt, er stand auf ihrer Seite, und die Tatsache, dass er sie verhaftet hatte, machte Elizabeth sprachlos. Sie biss sich auf die Innenseite der Lippe, bis sie merkte, dass sie Blut im Mund hatte. Sie wollte nicht, dass die Leute, die bisher zu Saoirse gehalten hatten, sie jetzt aufgaben.
»Ich werde alles für sie tun, was ich kann«, versprach Colm leise. »Aber sorgen Sie möglichst dafür, dass Ihre Schwester bis zum Verhör in ein paar Wochen keinen Ärger mehr kriegt.«
Als Elizabeth merkte, dass sie die letzten Sekunden des Gesprächs die Luft angehalten hatte, atmete sie ruckartig aus. »Danke.« Mehr konnte sie nicht sagen. Obwohl sie sehr erleichtert war, wusste sie, dass sie keinen wirklichen Sieg errungen hatte. Diesmal konnte niemand ihre Schwester beschützen, sie würde sich den Konsequenzen ihres Handelns stellen müssen. Aber wie sollte sie Saoirse im Auge behalten, ohne zu wissen, wo sie überhaupt war? Bei ihr und Luke konnte sie nicht bleiben, dafür war sie viel zu unberechenbar, und ihr Vater hatte sie schon vor langer Zeit an die Luft gesetzt.
»Dann geh ich jetzt lieber mal«, sagte Colm leise, rückte seine Kappe auf dem Kopf zurecht und ging die kopfsteingepflasterte Auffahrt hinunter.
Elizabeth saß auf der Veranda, versuchte, ihre zittrigen Knie zu beruhigen, und starrte auf ihr schlammbespritztes Auto. Warum musste Saoirse alles kaputtmachen? Warum jagte ihre jüngere Schwester alle, die Elizabeth liebte, in die Flucht? Sie fühlte eine ungeheuerliche Last auf ihren Schultern. Was würde ihr Vater tun, wenn man Saoirse zu seiner Farm brachte? Nach spätestens fünf Minuten würde er Elizabeth anrufen und sich beschweren, da war sie ganz sicher.
In diesem Moment klingelte im Haus das Telefon, und ihr Herz wurde noch schwerer. Langsam stand sie auf und befreite sich von den Gedankenspinnweben, ehe sie sich umdrehte und ins Haus zurückging. Als sie an der Tür war, hatte das Klingeln aufgehört, und sie entdeckte Luke, der auf der Treppe saß und sich den Hörer ans Ohr drückte. Sie lehnte sich an den hölzernen Türrahmen, verschränkte die Arme und beobachtete ihn. Auf einmal merkte sie, wie sich ein kleines Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. Er wurde so schnell groß, und sie hatte das Gefühl, dass sie an diesem ganzen Prozess völlig unbeteiligt war – so, als hätte er ihre Hilfe überhaupt nicht nötig gehabt. Er kam auch ohne die Fürsorge zurecht, die zu geben ihr so schwer fiel. Sie wusste, dass sie in diesem Bereich ein Defizit hatte. Ihr fehlte dieses Gefühl, diese selbstverständliche Zuneigung. Manchmal mangelte es ihr überhaupt an Gefühlen, und jeden Tag wünschte sie sich von neuem, dass man ihr den Mutterinstinkt einfach mit den Dokumenten überreicht hätte, die sie damals unterschreiben musste. Wenn Luke hinfiel und sich das Knie aufschürfte, war ihre spontane Reaktion, die Wunde zu säubern und ein Pflaster draufzukleben. Für sie fühlte sich das ausreichend an, sie wäre sich komisch vorgekommen, wenn sie mit ihm im Zimmer herumgetanzt wäre, um seine Tränen zu stillen, oder wenn sie den bösen Boden geschlagen hätte, wie sie das einmal bei Edith gesehen hatte.
»Hallo, Granddad«, sagte Luke gerade ausgesucht höflich.
Dann lauschte er, während sein Großvater am anderen Ende der Leitung etwas sagte.
»Ich esse gerade mit Elizabeth und meinem neuen besten Freund Ivan.«
Pause.
»Eine Pizza mit Käse und Tomaten, aber Ivan mag auch noch Oliven drauf.«
Pause.
»Oliven, Granddad.«
Pause.
»Nein, ich glaube nicht, dass du die auf deiner Farm anbauen kannst.«
Pause.
»O-L-I-V-E-N«, buchstabierte er laut.
Pause.
»Moment mal, Granddad, mein Freund Ivan will mir was sagen.« Luke drückte den Hörer an die Brust, starrte in die Luft und konzentrierte sich. Schließlich hielt er sich den Hörer wieder ans Ohr. »Ivan sagt, die Olive ist eine kleine, ölige Frucht mit einem Kern in der Mitte. Sie wird in subtropischen Gegenden angebaut, sowohl wegen der Früchte als auch wegen dem Öl.« Wieder schaute er weg und schien zu lauschen. »Es gibt eine Menge
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