Zwischen Himmel und Liebe
dunkel, auch wenn man im Garten nur noch Schatten und Formen erkennen konnte. Rasch zog sie die Vorhänge zu und fühlte sich in ihrem creme- und beigefarbenen Kokon gleich viel sicherer. Sie kuschelte sich wieder in den Bademantel, ging zurück zum Sessel, setzte sich und schlang schützend die Arme um die Knie. Die cremefarbene Couch starrte sie an. Elizabeth schauderte, stellte den Fernseher noch lauter als vorher und trank einen großen Schluck Kaffee. Die samtige Flüssigkeit rann durch ihre Kehle und wärmte ihr Inneres. So startete sie einen neuerlichen Versuch, sich von der Fernsehwelt einlullen zu lassen.
Den ganzen Tag fühlte sie sich schon seltsam. Ihr Vater sagte immer, wenn man eine Gänsehaut bekam, würde grade jemand über das eigene Grab gehen. Zwar glaubte Elizabeth nicht an solches Zeug, aber trotzdem drehte sie den Kopf jetzt ganz bewusst von der Dreisitzer-Ledercouch weg, starrte auf den Bildschirm und versuchte, das Gefühl abzuschütteln, dass ein Augenpaar sie unablässig beobachtete.
Ivan sah zu, wie sie den Fernseher wieder auf stumm schaltete, ihre Kaffeetasse hastig auf dem Tischchen neben sich abstellte und aus dem Sessel hüpfte, als hätte eine Nadel sie in den Hintern gepiekt. Da geht es wieder los, dachte er. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie sich im Zimmer um. Ivan machte sich bereit und rutschte ganz an den Rand der Couch. Seine Jeans rieben mit einem quietschenden Geräusch über das Leder.
Elizabeth zuckte zusammen und wandte das Gesicht zur Couch.
Dann holte sie den schwarzen eisernen Schürhaken von dem großen Marmorkamin und umklammerte ihn so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß wurden. Auf Zehenspitzen schlich sie durchs Zimmer, die Augen voller Angst. Wieder quietschten Ivans Jeans auf dem Leder, und prompt stürzte Elizabeth zur Couch. Ivan sprang auf und brachte sich in Sicherheit.
Aus seinem Versteck hinter dem Vorhang sah er zu, wie sie die Kissen von der Couch zerrte und dabei etwas von Mäusen vor sich hin murmelte. Nachdem sie die Couch zehn Minuten lang erfolglos durchsucht hatte, legte sie die Kissen wieder zurück und brachte die Couch in ihren ursprünglichen makellosen Zustand.
Ziemlich verunsichert nahm Elizabeth ihre Kaffeetasse wieder in die Hand und ging in die Küche. Ivan folgte ihr so dicht auf den Fersen, dass ihn ihre Haarsträhnen im Gesicht kitzelten. Sie rochen nach Kokos, und ihre Haut duftete zitronig.
Er verstand selbst nicht, was ihn an ihr so faszinierte. Seit dem Mittagessen am Freitag beobachtete er sie. Luke hatte ihn zu immer neuen Spielen gerufen, aber eigentlich interessierte Elizabeth ihn mehr. Erst nur deshalb, weil er herausfinden wollte, ob sie ihn wieder hören oder spüren würde, aber nach ein paar Stunden war er regelrecht von ihr fasziniert. Sie war zwanghaft ordentlich. Um das Zimmer verlassen und beispielsweise ans Telefon oder zur Haustür gehen zu können, musste sie sich erst vergewissern, dass alles aufgeräumt und blitzsauber war. Sie trank eine Menge Kaffee, starrte gern in den Garten hinaus, zupfte ständig imaginäre Fusseln von fast jeder erdenklichen Oberfläche und grübelte unglaublich viel. Das sah man an ihrem Gesicht. Vor lauter Nachdenken bekam sie Falten auf der Stirn, und manchmal wirkte sie, als würde sie sich mit Leuten in ihrem Kopf unterhalten. Nach den Aktivitäten auf ihrer Stirn zu urteilen, verwandelten sich diese Unterhaltungen meist in heftige Debatten.
Ihm fiel auch auf, dass sie immer von Stille umgeben war. Keine Musik oder sonstigen Geräusche im Hintergrund, wie das bei den meisten Menschen der Fall war – ein plärrendes Radio, ein offenes Fenster, durch das mit Vogelgezwitscher und Rasenmäherlärm der Sommer hereindrang. Luke und sie sprachen wenig miteinander, und wenn, dann gab sie ihm meistens Anweisungen oder er fragte wegen etwas um Erlaubnis. Nichts wirklich Spaßiges. Das Telefon klingelte selten, Besuch kam überhaupt nie. Es war beinahe, als füllten die Gespräche in ihrem Kopf die Stille aus.
Freitag und Samstag verbrachte Ivan damit, ihr zu folgen. Abends saß er auf der cremefarbenen Couch und sah zu, wie sie sich die einzige Sendung im Fernsehen ansah, die ihr zu gefallen schien. Sie lachten beide an den gleichen Stellen, stöhnten an den gleichen Stellen und schienen überhaupt völlig im Einklang miteinander zu sein. Abgesehen davon, dass Elizabeth nicht wusste, dass er da war. In der vorigen Nacht hatte er ihr beim Schlafen zugesehen. Sie war ruhelos
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