Zwischen Himmel und Liebe
stellen muss.«
»Ja, ich weiß.« Elizabeth versuchte sich zu beruhigen. In diesem Augenblick verpasste sie ein wichtiges Meeting. Wichtig für sie, wichtig für ihr kleines Architekturbüro. Da Lukes Kinderfrau Edith vor ein paar Wochen zu der dreimonatigen Weltreise aufgebrochen war, mit der sie Elizabeth schon seit sechs Jahren drohte, hatte heute ausnahmsweise die Babysitterin auf Luke aufgepasst. Aber das arme Mädchen kannte Saoirse und ihr sonderbares Verhalten nicht und hatte Elizabeth völlig panisch bei der Arbeit angerufen … wieder einmal. Elizabeth musste alles stehen und liegen lassen und nach Hause hetzen … wieder einmal. Eigentlich hätte sie nicht überrascht sein dürfen, dass das passiert war … wieder einmal. Das einzig Überraschende war, dass Lukes Nanny Edith abgesehen von ihrer Reise überhaupt noch jeden Tag zur Arbeit auftauchte. Seit sechs Jahren half sie Elizabeth nun schon mit Luke, sechs Jahre voller Dramatik, und trotz Ediths Loyalität erwartete Elizabeth praktisch jeden Tag einen Anruf oder einen Kündigungsbrief. Denn Lukes Nanny zu sein war mit einer Menge Belastungen verbunden. Aber es war auch ganz schön schwer, Lukes Adoptivmutter zu sein.
»Elizabeth, bist du noch da?«
»Ja«, sagte sie und machte schnell die Augen wieder auf. Sie wurde schon wieder unkonzentriert. »Entschuldige, was hast du gerade gesagt?«
»Ich hab dich gefragt, welches Auto Saoirse genommen hat.«
Elizabeth verdrehte die Augen und schnitt dem Telefon eine Grimasse. »Dasselbe wie immer, Marie. Dasselbe wie letzte Woche, wie die vorletzte Woche und auch die Woche davor«, fauchte sie.
Aber Marie blieb fest. »Und das ist der …«
»Der BMW «, unterbrach Elizabeth. »Das gleiche verdammte schwarze BMW -Cabrio. Vier Räder, zwei Türen, ein Steuer, zwei Seitenspiegel, Scheinwerfer und …«
»So weiter«, fiel Marie ihr ins Wort. »In was für einem Zustand?«
»Frisch geputzt und blitzeblank«, antwortete Elizabeth frech.
»Sehr schön, und in was für einem Zustand war Saoirse?«
»Dem üblichen.«
»Abgefüllt.«
»Ganz genau.« Elizabeth stand auf und ging durch die Halle zur Küche. Ihr Sonnenspeicher. Das Klicken ihrer Absätze auf dem Marmorboden hallte laut durch den luftigen Raum mit der hohen Decke. Alles war an seinem Platz. Dank der stärker werdenden Sonnenstrahlen, die durch die Glasfenster des Wintergartens fielen, war es richtig warm hier, und Elizabeth musste die Augen gegen die Helligkeit zusammenkneifen. Die makellose Küche glänzte im Sonnenlicht, die schwarzen Granitarbeitsflächen funkelten, in den Chromarmaturen spiegelte sich der strahlende Tag. Ein Paradies aus Edelstahl und Walnussholz. Elizabeth hielt direkt auf die rettende Espressomaschine zu, denn ihr erschöpfter Körper brauchte dringend eine Energiespritze. Sie öffnete ein kleines Küchenschränkchen aus Walnussholz und holte eine kleine beige Kaffeetasse heraus. Ehe sie den Schrank wieder zumachte, drehte sie noch schnell eine Tasse um, damit der Henkel wie bei allen anderen nach rechts zeigte. Dann zog sie die Besteckschublade auf, merkte, dass ein Messer im Gabelfach lag, transferierte es an seinen rechtmäßigen Platz, holte einen Löffel heraus und schob die Schublade wieder zu.
Aus dem Augenwinkel entdeckte sie ein Handtuch, das unordentlich über den Herdgriff gehängt worden war, warf es in den Wäschekorb im Hauswirtschaftsraum, holte ein frisches Handtuch aus dem ordentlichen Stapel im Schrank, faltete es sauber auf die Hälfte und drapierte es sorgsam über den Herdgriff. Alles hatte seinen Platz.
»Na ja, ich hab meine Wagennummer in der letzten Woche nicht ändern lassen, also ist es immer noch dieselbe«, beantwortete sie gelangweilt eine weitere von Maries sinnlosen Fragen, während sie die dampfende Tasse Espresso auf einen Marmoruntersetzer stellte, um den gläsernen Küchentisch zu schonen. Dann strich sie sich den Rock glatt, entfernte eine Fluse von ihrem Jackett, setzte sich in den Wintergarten und sah hinaus in den Garten und die sanften, scheinbar endlosen Hügel dahinter. Vierzig Schattierungen von Grün, Gold und Braun.
Als sie das üppige Aroma des Espressos einatmete, fühlte sie sich augenblicklich belebt. Sie stellte sich vor, wie ihre Schwester in ihrem – Elizabeths – Cabrio mit heruntergeklapptem Dach über die Hügel brauste, die Arme in der Luft, die Augen geschlossen, das flammend rote Haar im Wind flatternd, in dem festen Glauben, frei zu sein. Saoirse war
Weitere Kostenlose Bücher