Zwischen Himmel und Liebe
Ton richtig fies – »aber dabei denkt man nicht an Oscar, der die Wünsche erst mal von der Schnuppe abpflücken muss.«
Ich sah ihn schuldbewusst an. »Das tut mir Leid, Oscar, daran hab ich wirklich nie gedacht. Und ich wusste auch nicht, dass Sternschnuppen gefährlich sein können.«
»Warum?«, fauchte Oscar. »Hast du geglaubt, ein Millionen von Meilen entfernter brennender Asteroid, den man von der Erde sehen kann, fällt einfach ganz friedlich zu mir runter und küsst mich auf die Wange? Aber egal, was hast du mir denn da gebracht? Oh, toll, ein Glas mit Jinny Joes, genau was ich nach diesem elenden Feuerball brauche. Endlich mal was mit ein bisschen Respekt!«, setzte er mit einem Seitenblick zum Käfig hinzu.
Der Feuerball hüpfte als Antwort wütend auf und ab.
Ich trat von dem Käfig zurück. »Was für einen Wunsch hat er denn mitgebracht?« Irgendwie konnte ich nur schwer glauben, dass diese Lichtkugel für irgendjemanden eine Hilfe war.
»Komisch, dass du das fragst«, meinte Oscar, und man hörte genau, dass er es überhaupt nicht komisch fand. »Dieser Taugenichts hier hat anscheinend nur den Wunsch, mich in meinem Labor rumzuscheuchen.«
»War das Tommy?« Ich gab mir alle Mühe, nicht zu lachen.
»Das vermute ich stark«, erwiderte er ärgerlich. »Aber ich kann mich auch nicht wirklich bei ihm beklagen, denn das war vor zwanzig Jahren, als er es noch nicht besser wissen konnte, weil er gerade erst angefangen hat.«
»Vor zwanzig Jahren?«, fragte ich überrascht.
»So lange hat der fiese Feuerball gebraucht, um hierher zu kommen«, erklärte Oscar, während er das Glas öffnete und mit einem äußerst seltsamen Gerät einen Jinny Joe herausholte. »Immerhin ist er Millionen Lichtjahre entfernt. Ich finde, zwanzig Jahre sind eine ziemlich gute Zeit.«
Ich überließ Oscar dem Studium der Jinny Joes und machte mich auf den Weg zur Garderobenabteilung. Dort traf ich Olivia, bei der gerade Maß genommen wurde.
»Hallo, Ivan«, rief sie erstaunt.
»Hi, Olivia, was machst du denn hier?«, fragte ich, während ich interessiert beobachtete, wie eine Frau ein Maßband um Olivias Taille legte.
»Ich kriege ein neues Kleid, Ivan. Die arme Mrs. Cromwell ist letzte Nacht von uns gegangen«, antwortete sie traurig. »Morgen ist die Beerdigung. Ich war schon bei so vielen Beerdigungen, dass mein einziges schwarzes Kleid ganz abgetragen ist.«
»Tut mir Leid zu hören«, gab ich betrübt zurück, denn ich wusste ja, wie gern Olivia Mrs. Cromwell gehabt hatte.
»Danke, Ivan, aber wir müssen weitermachen. Heute Morgen kam eine Lady ins Hospiz, die meine Hilfe braucht, und jetzt muss ich mich auf sie konzentrieren.«
Ich nickte verständnisvoll.
»Und was bringt dich hierher?«
»Meine neue Freundin Elizabeth ist eine Frau, und sie achtet auf meine Klamotten.«
Olivia kicherte.
»Möchtest du ein T-Shirt in einer anderen Farbe?«, fragte die Frau mit dem Maßband und holte ein rotes T-Shirt aus einer Schublade.
»Hmm, nein, eigentlich nicht«, antwortete ich, trat nervös von einem Fuß auf den anderen und sah mich auf den Regalen um, die vom Boden bis zur Decke reichten. Alle trugen Etiketten mit Namen, und unter einer ganzen Reihe hübscher Kleider entdeckte ich den von Calendula. »Ich suche etwas … etwas Schickeres.«
Olivia zog die Brauen hoch. »Na, dann musst du dir wohl einen Anzug machen lassen.«
Wir einigten uns auf einen schwarzen Anzug mit einem blauen Hemd und blauer Krawatte, weil das meine Lieblingsfarbe ist.
»Sonst noch was, oder wäre das alles?«, fragte Olivia mich mit einem Zwinkern.
»Eigentlich« – ich senkte die Stimme und sah mich um, um mich zu vergewissern, dass die Frau mit dem Maßband außer Hörweite war, und Olivia rückte näher zu mir – »eigentlich wollte ich dich fragen, ob du mir den Soft-Shoe-Shuffle beibringen könntest.«
Siebenundzwanzig
Elizabeth starrte auf die kahle Wand, die übersät war mit getrockneten Mörtelflecken. Mit einem tiefen Seufzer gestand sie sich ein, dass sie sich absolut ratlos fühlte. Die Wand sagte ihr nichts. Es war neun Uhr morgens, und auf der Baustelle wimmelte es bereits von Männern mit Schutzhelmen, ausgebeulten Jeans, Karohemden und Caterpillar-Stiefeln. Wie sie da mit ihren verschiedenen Lasten auf dem Rücken herumwuselten, erinnerten sie an einen Ameisenschwarm, und in dem leeren Betonrohbau, der noch mit Elizabeths Ideen gefüllt werden musste, hallten ihre Rufe, ihr Lachen, Singen und Pfeifen
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