Zwischen jetzt und immer
Wechselbeziehung zwischen Gärtnerei und Weiblichkeit, die sich in dieser Skulptur ausdrückt.«
Ich warf ihm einen – nicht ganz gespielten – bösen Blick zu. »Verwechsle mich nicht mit meiner Schwester. Ich habe dich bloß was gefragt.«
Noch ein Achselzucken. »Keine Ahnung. Als ich in Myers mit dem Kram angefangen habe, waren die Sachen noch statisch und überwiegend ganz simpel. Aber nachdem ich meine ersten Herzhände gemacht hatte, wurde ich zunehmend neugierig darauf, wie sich was durch Bewegung verändert. Deshalb begann ich rumzuexperimentieren. Mich interessierte, wie das Drehen und Schwingen des Materialsrückwirkend Einfluss auf das Motiv nimmt, wie alles dadurch lebendig wird, verstehst du?«
Ich erinnerte mich an den Augenblick, als ich vorhin in Stellas Garten hineinspaziert war, an das deutlich wahrnehmbare, fast schmeck- und fühlbare Gefühl, alles um mich her würde ebenso atmen wie ich selbst. »Ja, das verstehe ich gut«, antwortete ich.
»Was hast du eigentlich in ihrem Garten getrieben?«, fragte er. Die Jukebox in der Ecke hörte endlich auf zu plärren.
»Eigentlich weiß ich das gar nicht so genau«, erwiderte ich. »Aber dieser Garten fasziniert mich, seit ich zum ersten Mal bei Kristy und Monica gewesen bin.«
»Ja, er ist schon irre.« Wes nahm einen Schluck aus seinem Wasserglas. Die Herzhand auf seinem Oberarm blitzte auf, weil der Ärmel seines T-Shirts mit der Bewegung leicht hochrutschte; doch dann war das Tattoo wieder verschwunden.
»Ja, irre ist das richtige Wort.« Ich fuhr mit dem Finger an der Tischkante entlang. »Außerdem ist es einfach anders als bei mir zu Hause, wo alles neu und immer total aufgeräumt ist. Aber der Chaosfaktor gefällt mir.«
»Als Bert klein war, hat er sich öfter in dem Garten verlaufen, weil er von der Straße her abkürzen wollte.« Wes lehnte sich zurück und lächelte. »Wir konnten hören, wie er da drinnen rumschrie, als wäre er rettungslos im Urwald verschollen, dabei befand er sich gerade mal einen Meter von unserem Hof entfernt. Aber er hatte einfach komplett den Überblick verloren und regte sich tierisch auf.«
»Armer Bert.«
»Er hat’s überlebt.« Wes ließ sein Glas auf der Tischplatte kreisen. »Er ist zäher, als man denkt. Zum Beispiel als unsereMutter starb; da war er erst dreizehn, und wir haben uns totale Sorgen um ihn gemacht, weil die beiden einander so nahe standen. Außerdem war er im Gegensatz zu mir bei ihr, als sie erfuhr, dass sie Krebs hatte. Ich saß zu dem Zeitpunkt in Myers fest. Aber Bert entpuppte sich als echter Kämpfer. Und als extrem fürsorglich. Er wich nicht mehr von ihrer Seite und unterstützte sie, so gut er konnte, egal wie schwer es wurde.«
»Das hat dir bestimmt ganz schön viel ausgemacht«, meinte ich. »Nicht da zu sein in dem Moment.«
»Bevor es richtig schlimm wurde, war ich längst wieder daheim. Trotzdem fand ich es natürlich ätzend, wegen einer einzigen dummen Geschichte weggesperrt zu sein, als meine Familie mich am meisten brauchte. Und als ich endlich wieder draußen war, wusste ich eins: So wollte ich mich nie wieder fühlen. Was auch immer von nun an geschehen würde, ob mit Bert oder sonst wem – ich würde für denjenigen da sein, aber hundert pro.«
Einen Teller in jeder Hand, näherte sich die Kellnerin unserem Tisch. Wie aufs Stichwort fing es in meinem Magen an zu rumoren, obwohl ich eigentlich gedacht hatte, ich hätte gar keinen Hunger. Mit einem energischen Klappern stellte sie die Teller vor uns hin, gab uns eine etwa zweisekündige Chance, uns zu äußern, falls wir noch etwas bräuchten, und marschierte wieder ab.
»Aufgepasst!« Wes deutete auf meinen Teller. »Gleich wird dir Hören und Sehen vergehen.«
Ich warf ihm einen ungläubigen Blick zu. »Das ist eine Waffel und nicht die Rückkehr der apokalyptischen Reiter.«
»Sei dir da mal nicht so sicher. Du hast noch nicht probiert.«
Bevor ich ein kleines Stück abschnitt, bestrich ich meineWaffel mit Butter und goss Sirup darüber. Während ich den ersten Bissen in den Mund steckte, ließ Wes mich nicht aus den Augen. Er hatte noch nicht mal mit Essen angefangen – als wollte er zuerst mein Urteil abwarten. Was positiv ausfiel. Sogar sehr positiv.
Doch bevor ich überhaupt etwas sagen konnte, meinte Wes: »Ich wusste es.« Als hätte er meine Gedanken gelesen. »Vielleicht nicht gerade die Apokalypse, aber auf jeden Fall so was wie eine spirituelle Erfahrung, findest du nicht?«
Ich
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