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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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ausgeknockt war, war er immer noch der Beste von den dreien.«
    »Das klingt übel.«
    Kristy nickte und schraubte den Verschluss auf die Flasche. »Diese Typen waren langweiliger als der normalste Normalo, kannst du dir das vorstellen? So was von frustrierend. Gibt’s was Schlimmeres als diese 08   /   1 5-Normalos ? Ich habe das Gefühl, ich mache drei Schritte zurück anstatt wenigstens mal einen vor.«
    Ich versuchte sie zu trösten. »Das stimmt nicht. Du hattest eben einen bescheuerten Abend, mehr nicht.«
    »Vielleicht.« Kristy stand auf, ging zur Tür. »Aber diese Welt macht es einem Mädchen schon schwer,
nicht
die Hoffnung zu verlieren, das kannst du mir glauben.«
    Sie ging ins Bad, um sich das Gesicht zu waschen. Ich streckte mich in meinem Schlafsack aus. Durchs Fenster über meinem Kopf konnte ich den Himmel mit dem Mond sehen. Aber ich war so müde, dass mir bald die Augen zufielen. Dass Kristy zurückkam, merkte ich nur am Geräusch der Tür und an dem lauten Seufzer, den sie ausstieß, als sie in ihr Bett und unter die Decken kroch.
    »Wieder ein Abend vorbei und außer Spesen nichts gewesen.« Kristy gähnte. »Mich nervt es einfach, wenn nie was passiert, von dem man hinterher noch was hat. Was Konkretes. Du nicht auch?«
    »Doch«, antwortete ich. »So was ist echt blöd.«
    Sie gab so eine Art Räuspern von sich, das alles und nichts bedeuten konnte, drehte sich auf die andere Seite, klopfte und schüttelte an ihrem Kissen rum, bis sie bequem lag. »Gute Nacht, Macy«, sagte sie schließlich. Ihre Stimme klang schläfrig. »Träum was Schönes.«
    »Du auch. Gute Nacht.«
    Kurze Zeit später hörte ich, wie ihr Atem immer regelmäßiger ging; bald darauf war sie tief und fest eingeschlafen. Ich hingegen lag noch ein paar Minuten mit geöffneten Augen da und starrte den Mond an. Irgendwann streckte ich die Hand aus und tastete suchend über den Boden, bis ich auf meine Tasche stieß, die neben dem Schlafsack lag. Ich wühlte darin herum, bis ich fand, was ich gesucht hatte. Und hielt es fest umklammert, dort im Dunkeln. Das, was ich als Ergebnis dieses Abends vorzuweisen hatte. Das Konkrete. Das, von dem ich auch hinterher noch was hatte: ein Stift, der nach Zucker und Sirup roch. Und als ich amnächsten Morgen bei strahlendem Sonnenschein wieder aufwachte, hielt ich den Stift nach wie vor fest in meiner Hand.
     
    »Macy? Bist du das?«
    Ich stellte meine Schuhe auf die oberste Stufe vor dem Treppenabsatz und meine Handtasche daneben. Normalerweise stand meine Mutter auch an den Wochenenden sehr zeitig auf; sie wollte möglichst früh in ihrem Modellhaus sein, um potenziellen Käufern zuvorzukommen und sie persönlich begrüßen zu können. Doch obwohl es schon fast zehn Uhr war, saß sie in einem Sessel am Fenster   – ich konnte sie durch die halb geöffnete Wohnzimmertür sehen   –, trank Kaffee und las in einer Immobilienfachzeitschrift. Sie sah ganz anders aus als sonst. Ruhig, still, geradezu faul. Sehr ungewohnt. Das konnte nur einen Grund haben: Sie hatte auf mich gewartet.
    »Äh . . . ja.« Während ich durch den Flur lief, stopfte ich mir unwillkürlich das T-Shirt in die Jeans und versuchte meine Haare nicht nur zu glätten, sondern mit den Händen eine Art Scheitel zu ziehen. »Kristy hat extra Frühstück gemacht, deshalb bin ich ein bisschen länger geblieben, als ich vorhatte. Was machst du denn noch zu Hause?«
    »Ach, ich dachte, ich gönne mir mal eine Stunde, um hier im Haus ein paar Dinge zu erledigen.« Sie ließ die Zeitschrift in ihren Schoß sinken. »Außerdem kommt es mir vor, als hätten wir seit Ewigkeiten keine Gelegenheit mehr gehabt, uns miteinander zu unterhalten. Komm, setz dich zu mir, erzähl mir was von dir. Wie geht es dir, was treibst du so?«
    Wie ein Blitz schoss mir plötzlich ein Bild durch den Kopf, ein Flashback: Ich oben an der Treppe, Caroline   – nachdemsie die ganze Nacht weggeblieben war   – eilig auf dem Weg in ihr Zimmer, meine Mutter im Wohnzimmer, die sie zu sich bat. Notgedrungen ging Caroline dann die Treppe wieder hinunter ins Wohnzimmer, wo meine Mutter sie bereits erwartete, um etwas mit ihr zu »besprechen«. In diesen Augenblicken herrschte jedes Mal eine angespannte Atmosphäre. Deutlich wahrnehmbar lag ein Streit, zumindest ein sich anbahnender Konflikt in der Luft. Genau wie jetzt.
    Ich setzte mich aufs Sofa. Ein Fehler, wie ich merkte, denn die Sonne schien schräg, gleißend hell, geradezu stechend durchs Fenster

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