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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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Gartenteich stand. Die Bildunterschrift lautete:
In meinen Reihern manifestiert sich die Fragilität des Lebens
.
    »Bah«, meinte ich. »Wenn man so was von sich geben muss, um als ernsthafter Künstler zu gelten   – gute Nacht.«
    »Sehe ich genauso.«
    »Aber wart’s ab, eines Tages taucht dein Foto auch in so einer Zeitschrift auf, plus Artikel, in dem du über die wahre, tiefe Bedeutung deines Werks sprichst.«
    »Unwahrscheinlich«, antwortete Wes. »Ich glaube nicht, dass
Southern Living
über Leute berichtet, deren Laufbahn als Künstler damit begonnen hat, dass sie verhaftet und in eine Erziehungsanstalt verfrachtet wurden.«
    »Quatsch. Ich kann mir gut vorstellen, dass auf dem Foto da einer von deinen Engel ist«, meinte ich.
    Wes schnitt eine abwehrende Grimasse.
    »Woher kommt eigentlich diese negative Einstellung?«, fuhr ich neckend fort.
    »Nicht negativ, sondern realistisch.« Wes klappte die Zeitschrift zu.
    Ich pikte ihn scherzhaft mit dem Finger. »Ich finde, du solltest etwas positiver denken.«
    »Und du solltest aufhören mich zu piken.«
    Ich lachte, drehte mich aber um, weil ich ein Geräusch in meinem Rücken hörte. Meine Mutter stand wieder im Türrahmen. Wie lange wohl schon? Doch die Frage beantwortete sich von selbst, dazu genügte ein Blick auf ihr Gesicht: streng, missbilligend, energisch vorgestrecktes Kinn.
    Ihre Stimme klang allerdings vollkommen neutral: »Macy, reichst du mir bitte meinen Aktenordner?«
    Als ich zur Arbeitsplatte neben dem Kühlschrank ging, spürte ich ihren Blick bohrend in meinem Rücken. Wes, dem die unvermittelt angespannte Atmosphäre nicht entgangen war, verzog sich ins Wohnzimmer. Als er den Raum betrat, rückte Kristy in ihrem Riesensessel wie selbstverständlich ein Stück zur Seite, damit er sich neben sie setzen konnte.
    »Es handelt sich um eine Art Rückkopplungseffekt«, verkündete der Moderator, »der wiederum in der Bevölkerung eine Art Dominoeffekt bewirken würde, denn das konstante, unterschwellige Dröhnen würde die Menschen langsam, aber sicher in den Wahnsinn treiben . . .«
    »Vibrationen können einen verrückt machen?«, fragte Kristy.
    »Alles kann einen verrückt machen«, antwortete Bert.
    ». . . entweder ein Naturphänomen«, sagte der Moderator gerade eindringlich, »aber möglicherweise auch ein von Außerirdischen entwickeltes, hoch technisiertes Instrument,das Töne produziert, deren Klang und Wirkung unser Vorstellungsvermögen überschreiten.«
    »Interessant.« Delia strich sich über ihren Bauch.
    »Mmm-hmmm.« Monica schien der gleichen Ansicht zu sein.
    Ich nahm den Ordner und brachte ihn meiner Mutter. Sie trat durch die Tür ins Halbdunkel des Flurs, wobei ihr Blick mir signalisierte, ich solle ihr bitte folgen.
    »Macy, habe ich richtig gehört? Dieser Junge wurde schon mal verhaftet?«
    »Das ist lange her«, antwortete ich, »und   –«
    »Macy!«, rief Kristy. »Komm her, sonst verpasst du den Mega-Hunami.«
    »Tsunami«, sagte Bert.
    »Egal, Hauptsache Mega, oder etwa nicht?«, konterte Kristy.
    Doch ich hörte sie kaum, denn ich konnte nichts anderes mehr tun als meine Mutter anzuschauen. Nahm nichts anderes mehr wahr als die Blicke, die sie meinen Freunden zuwarf, und das vernichtende Urteil, das sich überdeutlich auf ihrem Gesicht abzeichnete. Angefangen mit Delias chaotischem Geschäftsgebaren über Kristys Narben bis hin zu Wes’ Vergangenheit   – ihre Schwächen waren nur allzu offensichtlich. Weswegen sie den Ansprüchen meiner Mutter nicht genügten.
    »Das ist der junge Mann von neulich Abend, oder?«
    »Bitte?«
    Meine Mutter sah mich so streng und unerbittlich an, als hätte ich ihr allein durch diese simple Verständnisfrage widersprochen.
    »Als ich neulich Abend nach Hause kam, stand in unserer Auffahrt ein Truck. Und auf dem warst du, zusammenmit noch jemandem.« Sie betonte jede einzelne Silbe. »War er das?«
    »Äh . . . ja, vermutlich schon«, antwortete ich. »Er hat mich netterweise nach Hause gefahren.« Wie war ich bloß auf die Idee gekommen, sie hätte uns nicht bemerkt? Im Gegenteil   – es war nur ein weiterer Punkt, den sie gegen mich verwenden würde. Ich merkte es nur zu deutlich an der Art, wie sie Wes betrachtete. »Es ist nicht so, wie du denkst, Mama. Er ist einfach ein netter Typ, mit dem ich befreundet bin.«
    »Sobald die Sendung vorbei ist«, befahl sie, als hätte ich überhaupt nichts gesagt, »verlassen diese Leute mein Haus! Hast du mich verstanden?«
    Ich

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