Zwischen jetzt und immer
und marschierte los, alles in totaler Zeitlupe. Delia blickte ihr einen Augenblick lang kopfschüttelnd nach, bevor sie sich erneut den Fleischklopsen zuwandte; sie schob die paar, die noch auf dem Boden rumflogen, aufs Kehrblech und beförderte die ganze Bescherung in den Mülleimer. Ihre Tochter schniefte immer noch unterdrückt vor sich hin. Delia sprach leise und beruhigend auf sie ein, während sie nun zu dem hohen Servierwagen ging, der neben der Hintertür stand, und ein mit Folie bedecktes, großes Tablett herauszog, das sie auf ihrem Rückweg durch die Küche etwas mühsam auf ihrer freien Hand balancierte. Vor lauter Anstrengung und Konzentration ging sie nicht mehr normal, sondern fing leicht an zu watscheln. Ich hatte in meinemLeben noch keinen Menschen gesehen, der so dringend Hilfe brauchte.
»Was noch, was noch?« Endlich erreichte sie die Küchentheke und ließ das Tablett von ihrer Hand auf die Oberfläche gleiten. »Was fehlt noch?« Schloss die Augen, presste die Hand gegen die Stirn.
»Eis«, sagte ich. Sie wandte sich um, sah mich an.
»Eis«, wiederholte sie lächelnd. »Danke. Und du bist . . .?« »Macy. Ich wohne hier. Meine Mutter ist die Gastgeberin.«
Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. Anscheinend ahnte sie, was ich als Nächstes sagen würde.
Ich holte tief Luft. »Sie hat mich gebeten nachzuschauen, ob alles in Ordnung ist. Und Ihnen zu sagen, dass sie –«
»Stinksauer ist«, ergänzte sie verstehend.
»Stinksauer würde ich nicht unbedingt sagen, aber –«
Von nebenan ertönte ein lautes Klirren und dann: Stille. Das kleine Mädchen fing wieder an zu brüllen. Delia warf einen Blick Richtung Tür.
»Und jetzt?«, meinte sie.
»Tja . . . schon«, sagte ich. »Jetzt ist sie vermutlich stinksauer.« Was vermutlich stark untertrieben war.
Delia vergrub das Gesicht in den Händen. »Das Ganze ist eine einzige Katastrophe.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wurde schon beim Zuschauen nervös, geschweige denn bei der Vorstellung, für »das Ganze« verantwortlich zu sein.
»In gewisser Hinsicht ist es gut«, sagte sie, nachdem wir beide einen Moment geschwiegen hatten. »Immerhin wissen wir jetzt, woran wir sind. Das heißt, von nun an kann’s nur noch bergauf gehen, nicht wahr?«
Ich antwortete nicht – vermutlich keine sehr ermutigendeReaktion. Mit einem fröhlichen
Pling!
meldete sich die Backofenuhr. »Okay«, sagte Delia plötzlich, als wäre das ein Startsignal gewesen. »Macy, ich würde dich gern etwas fragen.«
»Was denn?«
»Kannst du mit einem Pfannenwender umgehen?«
»Ja, so einigermaßen, denke ich«, antwortete ich überrumpelt.
»Super«, sagte sie. »Kommst du bitte mal zu mir?«
Eine Viertelstunde später hatte ich den Dreh raus. Es war wie Plätzchenbacken im Zeitraffer: Backpapier auf Backblech, Käsetörtchen/Krabbenpastetchen in ordentlichen Reihen drauflegen, in den Ofen stellen, anderes Backblech aus dem Ofen holen, Käsetörtchen/Krabbenpastetchen auf Servierplatte legen, ab damit. Und das Ganze von vorn.
»Perfekt.« Delia machte das Gleiche mit überbackenen Minitoasts, und zwar doppelt so schnell wie ich. Trotzdem hatte sie noch Zeit, mich nebenher zu beobachten. »Du könntest eine glanzvolle Karriere im Catering-Geschäft machen, sofern man eine solche Karriere als glanzvoll bezeichnen kann.«
Ich lächelte in mich hinein. Faultiermädchen Monica schlurfte gerade mit einem Tablett voll benutzter Servietten in die Küche. Nachdem sie ein zweites Mal Wein durch die Gegend gekleckert hatte, sollte sie sich darauf beschränken, nur noch Nicht-Flüssiges zu tragen. Doch auch diese Regel wurde bald weiter eingeschränkt, denn sie schaffte es, vors Geländer zu laufen und dabei eine halbe Käsetörtchenplatte auf dem Hemd eines Gastes abzuladen, woraufhin Delia sie dazu verdonnerte, bloß noch Müll und leere Gläser abzuräumen. Eigentlich würde man ja vermuten, dass jemand,der sich so langsam bewegt, nicht ständig irgendwo anstößt oder Sachen verschüttet. Monica war jedoch der lebende Gegenbeweis.
»Wie läuft’s da draußen so?«, fragte Delia, wobei sie einen raschen Blick auf ihre Tochter warf; doch Lucy schlief tief und friedlich in ihrem Buggy, der neben dem Küchentisch stand. Delia hatte mich echt verblüfft. Nachdem sie unumwunden zugegeben hatte, dass der Karren hoffnungslos im Dreck steckte, hatte sie sofort mit sehr effektivem Krisenmanagement begonnen: zwei weitere Bleche mit Pastetchen und
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