Zwischen jetzt und immer
tatsächlich überpünktlich, um das Zelt aufzubauen. Wir stellten uns vorsichtshalber daneben, schauten mit Argusaugen zu und waren innerlich auf jede Form von Krise eingestellt. Aber siehe da, das Zelt erhob sich leicht und luftig, Tische und Stühle wurden in Reih und Glied aufgestellt – alles verlief nach Plan.
»Ausgezeichnet«, sagte meine Mutter, als sie dem Typen von der Partyfirma seinen Scheck überreichte. »Ich war mir nicht mal sicher, ob wir überhaupt ein Zelt brauchen würden. Aber es sieht wirklich sehr schön aus so. Das ganze Ambiente gewinnt dadurch.«
»Und falls es regnet, können Sie trotzdem weiterfeiern«, antwortete er.
Sie warf ihm einen Blick zu. »Es wird nicht regnen«, sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
Ach ja, es gab in dieser Stresswoche noch eine anderegute Nachricht für meine Mutter. Die einzige, aber immerhin: Zu meiner großen Überraschung nahm Delia den Auftrag an. Es werde zwar weder Lamm noch feines Porzellan geben, hatte meine Mutter resigniert gesagt; sie sei inzwischen jedoch froh, wenn es überhaupt etwas zu essen gebe, und seien es Hühnerspießchen oder Fleischklopse.
»Fleischklopse mag wirklich jeder.« Mit dieser Erkenntnis aus eigener Erfahrung versuchte ich sie zu beruhigen, doch sie hatte mir lediglich einen stummen Blick zugeworfen, bevor sie ihre Aufmerksamkeit der nächsten drohenden Katastrophe zuwandte.
In gewisser Weise war ich froh darüber, dass eine Krise die nächste jagte, weil es mich so in Atem hielt, dass ich keine Zeit hatte, nachzudenken oder mir Sorgen zu machen. Zum Beispiel darüber, wie es wohl sein würde, Wes wiederzusehen, oder mit Jason klarzukommen, der sich in den Kopf gesetzt hatte, noch an dem Abend der Gala vorbeizuschauen. Am besten lasse ich alles auf mich zukommen, sagte ich mir immer wieder, und sehe dann, wie’s läuft. Es würde alles noch früh genug passieren.
Die Leute, die das Zelt aufgebaut hatten, fuhren gerade wieder weg, da hörte ich, wie ein Wagen die Auffahrt hochkam und parkte. Ich schaute um die Ecke und entdeckte – Caroline. Sie stieg aus einem kleinen Lastwagen mit lang gestreckter, offener Ladefläche, der mit irgendwelchen Gegenständen aus Metall voll gepackt war; im ersten Moment dachte ich, es würde sich um Gartenmöbel handeln oder um Überreste der Hausrenovierung. Während sie ausstieg, stellte sich ein weiteres Auto hinter ihren Truck. Am Steuer saß einer der Makler, mit denen meine Mutter zusammenarbeitete.
»Was schleppt sie denn da um Himmels willen an?«,überlegte meine Mutter laut, während wir am Haus entlang zu ihr liefen. Doch noch während sie die Frage stellte, wurde mir klar, worum es sich handelte: um Skulpturen. Wes’ Skulpturen. Mindestens sechs Stück. Es war tatsächlich nicht so leicht zu erkennen, dazu waren sie zu kunstvoll auf- und ineinander gestapelt. Als wir bei Caroline und dem Makler anlangten, hatten die beiden bereits die hintere Klappe des Lastwagens runtergelassen und damit begonnen, die Skulpturen auszuladen und sie nebeneinander an die hintere Stoßstange zu lehnen, unter anderem einen großen Engel mit einem Heiligenschein aus Stacheldraht sowie das Windspiel, das ich noch unfertig gesehen hatte, als ich zum letzten Mal bei ihm war. Es bestand aus Fahrradrädern unterschiedlicher Größe, von ganz normalen bis hin zu winzig kleinen Stützrädern, die Wes um ein in sich verdrehtes Stahlrohr montiert und festgeschweißt hatte.
»Hallo, Caroline.« Meine Mutter bemühte sich hörbar um einen möglichst unbeschwerten Tonfall.
Caroline reagierte zunächst überhaupt nicht, doch der Makler winkte uns grüßend zu, während die beiden wortlos damit fortfuhren, die Skulpturen auszuladen und auf der Auffahrt abzustellen: Einen kleineren Engel mit einem Heiligenschein aus bunten Glasscherben, noch ein Windspiel – eine Konstruktion aus Radkappen und Zahnrädern, die kunstvoll ineinander griffen.
»Wir stellen sie einfach auf der Wiese auf«, sagte Caroline zu dem Makler. »Egal wo, das ist schon okay.«
Prompt zerrte der Mann einen der Engel über den Rasen, und zwar zielsicher auf das unebene Stück zu.
»Caroline?« Ich spürte, dass meine Mutter nervös wurde, eine neuerliche Auseinandersetzung jedoch um jeden Preisvermeiden wollte. Deshalb blieb es auch bei diesem einen Wort, diesem einen Fragezeichen, selbst als der Engel in dem gerade notdürftig wiederhergestellten Rasen eine ziemlich tiefe Furche hinterließ.
»Keine
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