Zwischen jetzt und immer
ehrlich gesagt meine Schuld ist, deshalb wäre es echt toll, wenn du mir kurz helfen könntest. Natürlich nur, falls es dir nichts ausmacht.«
»Kein Problem.« Auf dem Rückweg zum Lieferwagen passierte ich Monica, die beim Vorsichhinschlurfen irgendwas vor sich hin murmelte. Das blonde Mädchen hatte mittlerweile zwei der Servierwagen von der Ladefläche gezerrt und belud sie zack zack zack mit abgedeckten Aluminiumbehältern für den Backofen. Als sie fertig war, legte sie den Stapel Geschirrtücher auf einem der Wagen ab und versetzte dem anderen einen leichten Schubs, so dass er zu mir rollte.
»Komm einfach hinter mir her«, sagte sie. Ich schob den Servierwagen vor mir her und folgte ihr. Als wir die Zufahrt zum Haus erreichten, blieben wir erst einmal stehen, denn sie war steil. Sehr steil. Monica hatte gerade mal die Hälfte des Anstiegs geschafft. Sie sah beim Gehen aus, als lehnte sie sich gegen den Wind.
Das blonde Mädchen sah erst mich und dann noch einmal die Auffahrt an. Immer wieder sprangen mir ihre Narben ins Auge; je mehr ich mich bemühte, nicht hinzuschauen, umso auffälliger wurden sie.
»Mist«, sagte sie und strich sich seufzend das Haar aus dem Gesicht. »Hast du nicht auch manchmal das Gefühl, die ganze verdammte Welt ist ein steiler Hügel, den man hochklettern muss?«
»Allerdings.« Ich dachte an alles, was mir an dem Abend schon passiert war. »So ist es.«
Da drehte sie den Kopf und lächelte mich an, wodurch sich ihr Gesicht schlagartig änderte. Es war, als explodierte ein Funken und würde zur Flamme, die alles so hell erleuchtete, dass ich nicht einmal mehr die Narben wahrnahm.
»Na dann.« Sie beugte sich über den Servierwagen und schloss die Finger fester um den Griff. »Zumindest können wir uns auf den Rückweg freuen. Auf geht’s.«
Sie hieß Kristy. Kristy Palmetto.
Wir stellten uns einander etwa auf der Hälfte des Anstiegs vor, als wir keuchend stehen blieben, um wieder zu Atem zu kommen. »Macy?«, fragte sie nach. »Wie das Kaufhaus?«
»Ja«, antwortete ich. »In meiner Familie heißen viele Frauen so.«
»Gefällt mir«, meinte sie. »Ich will meinen Namen übrigens ändern, wollte ich schon immer. Sobald ich kann, ziehe ich von hier weg, irgendwohin, wo mich niemand kennt, wo ich ganz wer anders werden kann. Ich glaube, ich hätte Lust, eine Veronique zu sein. Oder vielleicht Bianca. Du weißt schon, jemand mit Esprit und Glamour. Kristy ist ein Allerweltsname. Kristy sein kann echt jeder.«
Vielleicht, dachte ich, vielleicht aber auch nicht. Denn obwohl ich sie erst seit fünf Minuten kannte, wusste ich: Eine Allerwelts-Kristy war sie nicht.
Sie setzte sich wieder in Bewegung und schob den Servierwagen weiter die steile Auffahrt hoch.
Als wir endlich oben ankamen, öffnete sich prompt die Tür des Seiteneingangs. Delia steckte den Kopf raus. Sie hatte eine rote Schürze mit dem
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umgebunden und auf ihrer linken Wange prangte ein Mehlfleck. »Sind das die Schinkenmuffins? Oder der Shrimpssalat?«
»Muffins«, meinte Kristy, schob ihren Servierwagen dichter an die Hauswand und signalisierte mir, das Gleiche zu tun. »Oder Shrimps.«
Delia warf ihr einen Blick zu.
»Entweder das eine oder das andere«, sagte Kristy. »Zumindest so viel kann ich garantieren.«
Delia seufzte und begann, in die diversen Alubehälter auf den beiden Wagen zu schauen.
Kristy lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand. »Der Weg hier rauf bringt einen fast um«, sagte sie zu Delia. »Wir müssen den Lieferwagen vor die Tür fahren, sonst schaffen wir es nie, das Zeug rechtzeitig in die Küche zu bringen.«
Delia hob eine der Abdeckungen aus Alufolie an, warf einen Blick darunter. »Wenn wir pünktlich von zu Hause losgekommen wären, hätten wir es auf jeden Fall geschafft, so oder so.«
»Ich habe mich doch entschuldigt«, verteidigte sich Kristy. Zu mir sagte sie: »Ich hatte eine Klamottenkrise. Nichts sah aus, absolut nichts! Du kennst doch diesen Zustand. Ätzend, was?«
Delia ließ sich von diesem kleinen Einwurf nicht beirren,sondern fuhr fort: »Außerdem haben die Leute hier strikte Vorschriften, was Fahrzeuge in der Nähe des Gartens angeht. Anscheinend ist der Rasen sehr empfindlich.«
»Meine Lungen auch«, sagte Kristy. »Wir müssen bloß schnell sein, dann kriegen sie es gar nicht erst mit.«
Monica tauchte mit einem Alubehälter in der offen stehenden Tür auf. »Pilze?«
»Fleischklopse.« Delia sah nicht mal hin.
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