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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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zufrieden ist oder ihr gar der Magen knurrt, weil sie nicht genug zu essen kriegt, fällt das unangenehm auf. Achte auf alles und jeden im Raum, vor allem darauf, wer was isst und wer nicht. Wenn du einmal die große Runde gemacht hast und die mit Ziegenfrischkäse und Johannisbeergelee gefüllten Selleriestangen trotzdem keinen Abnehmer gefunden haben, lass es sein und halt den Leuten die Dinger auf keinen Fall noch mal unter die Nase.«
    »Ziegenfrischkäse, Sellerie und Johannisbeergelee?«, fragte ich ungläubig.
    Kristy bestätigte mit bedeutsamem Gesicht.
    »Das war nur ein einziges Mal, bei
einem
Empfang«, fauchte Delia in unserem Rücken. »Warum müsst ihr bis heute darauf rumreiten, warum?«
    »Wenn etwas ein Reinfall ist, ist es ein Reinfall, Punkt«,sagte Kristy. »Zur Not kannst du dir jederzeit eine Platte Fleischklopse schnappen und damit rumlaufen. Fleischklopse mag einfach jeder.«
    »Wie spät ist es?« Delia knallte die Ofentür zu. »Schon sieben?«
    »Viertel vor.« Kristy strich sich eine Locke hinters Ohr. »Wir müssen allmählich raus.«
    Ich hob meine Servierplatte an und hielt still, während Kristy einen Minimuffin davor rettete, über den Rand zu stürzen.
    »Fertig?«, fragte sie.
    Ich nickte.
    Kristy öffnete mit der freien Hand die Tür. Ein paar Leute, die in der Nähe an der Bar standen und auf Getränke warteten, drehten sich um und sahen   – nein, nicht direkt uns an, denn ihr Blick wanderte sofort zu den Platten, die wir trugen. Unsichtbar, dachte ich, nicht schlecht. Ich hatte im vergangenen Jahr so viel Aufmerksamkeit bekommen   – unsichtbar zu sein tat zur Abwechslung bestimmt gut. Deshalb richtete ich mich auf   – Brust raus, Bauch rein, Schultern zurück   –, hob meine Platte ein wenig höher und stürzte mich ins Gewühl.
     
    Eine halbe Stunde später hatte ich noch ein paar Dinge dazugelernt. Erstens mag tatsächlich jeder Mensch Fleischklopse. Zweitens lauern einem die meisten Schlinger immer direkt an der Tür auf, damit sie als Erste Zugriff auf was auch immer haben, das man gerade reinträgt; und wenn man versucht ihnen auszuweichen, werden sie blitzschnell zu Grabschern. Getreten hatte ich allerdings noch niemanden. Und drittens stimmte absolut, was Kristy gesagt hatte: Man war unsichtbar. Stand unmittelbar neben den Gästen,kriegte alles mit, was sie sagten, jedes Wort. Trotzdem redeten sie über ohne Hemmungen alles, als wäre man gar nicht da.
    Auf diese Weise erfuhr ich, dass das Hochzeitspaar, Molly und Roger, schon seit drei Jahren in wilder Ehe zusammenlebte, was nach Meinung einer lieben Verwandten das weibliche Familienoberhaupt direkt ins Grab gebracht hatte. (Besagte Verwandte gehörte übrigens zur Kategorie der Schlinger.) Weil auf der Junggesellinnenparty irgendetwas vorgefallen war, redeten Molly und ihre Trauzeugin kein Wort mehr miteinander, und der Vater des Bräutigams, der sich angeblich das Saufen abgewöhnt hatte, schmuggelte einen Martini nach dem anderen auf die Toilette. Ach ja, und mit den Servietten war auch irgendwas nicht in Ordnung. Ganz und gar nicht.
    »Tut mir Leid, ich habe immer noch nicht begriffen, wo genau das Problem liegt«, sagte Delia, als ich gerade in die Küche reingeflitzt kam, um mir eine letzte Runde gratinierten Ziegenkäse auf Toast zu holen.
    Delia und Monica hatten sich vor der Anrichte postiert, weil sie allmählich die Salatbeilage für den Hauptgang in Angriff nehmen wollten. Neben Delia standen die Braut, Molly, und ihre Mutter.
    »Das, was auf die Servietten gedruckt wurde, geht so nicht!« Mollys Stimme zitterte und kletterte gleichzeitig in die Höhe. Sie war ein hübsches Blondchen mit Kurven genau an den richtigen Stellen, hatte allerdings, soweit ich es mitbekommen hatte, auf ihrer eigenen Hochzeitsfeier die ganze Zeit mit verkniffenem Gesichtsausdruck neben der Bar gestanden, während die Gäste an ihr vorbeidefilierten, ihr mitleidig über den Arm strichen und tröstende Ist-doch-alles-halb-so-schlimm-Laute von sich gaben. Der Bräutigamstand derweil draußen im Garten und rauchte eine Zigarre nach der anderen. Molly fuhr fort: »Auf den Servietten sollte
Molly und Roger
stehen, dann das Datum und darunter
Für immer

    Delia blickte sich kurz suchend um. »Sorry, ich habe gerade keine hier, aber . . . steht das denn nicht drauf? Ich bin mir so gut wie sicher, dass doch. Zumindest stand es auf denen, die ich gesehen habe.«
    Mollys Mutter schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck aus

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