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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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immer das war, was die Menschen hören wollten.
     
    »Alles in allem lief es einigermaßen heute Abend«, sagte Delia drei Stunden später, als wir den letzten Servierwagen, beladen mit Vorlegelöffeln und -gabeln sowie leeren Weinkühlern in den Lieferwagen schoben. »Keine größeren, nicht mal mittlere Katastrophen. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass es halbwegs gut lief.«
    »Bis auf die Sache mit den Steaks.« Kristy spielte auf einen Moment absoluter Panik an, als wir gerade den Salat serviert hatten und entdeckten, dass die Hälfte der Filets noch im Lieferwagen und entsprechend kalt war.
    »Stimmt, hätte ich fast vergessen.« Delia seufzte. »Zumindest ist auch dieser Abend jetzt vorbei und beim nächsten Mal klappt alles besser. Wie am Schnürchen, würde ich sagen. Als wären wir eine gut geölte Maschine.«
    Selbst ich als blutige Anfängerin wusste: Das war mehr als unwahrscheinlich. Denn den ganzen Abend über hatte sich ein Problem ans andere gereiht. Krisen, die sich ankündigten, sich steigerten und dann doch irgendwie bewältigt wurden. Und das alles in atemberaubender Geschwindigkeit. Ich war so daran gewöhnt, die Dinge um jeden Preis zu kontrollieren, um gegen alles Unerwartete gewappnet zu sein, dass ich richtig spüren konnte, wie mein Stresspegel jedes Mal stieg und wieder sank, weil ich auf jede Krise, jede sich anbahnende Katastrophe sofort reagierte. Für die anderen drei hingegen schienen die ständigen Turbulenzen das Normalste von der Welt zu sein. Außerdem waren sie offenbar fest davon überzeugt, dass am Ende schon alles irgendwie funktionieren würde. Und das Seltsame war: Am Ende funktionierte auch alles. Irgendwie. Irgendwann. Obwohl ich nie hätte sagen können, wie, auch wenn ich selbst dabei gewesen war.
    Kristy schnappte sich ihre schwarze Fransenhandtasche,die sie auf der Ladefläche des Lieferwagens deponiert hatte. »Tut mir Leid, wenn ich unke«, meinte sie, »aber ich gebe der Ehe von den beiden maximal ein Jahr. Auf dieser Hochzeit herrschte ganz klar das Gefühl vor, dass die Braut kalte Füße hatte   – als ob sie die ganze Zeit denken würde: Um Himmels willen, tu’s nicht. Die Braut wäre doch vor lauter Schiss beinahe durchgedreht.«
    »Mmm-hmmm.« Das kam von Monica, die auf der Stoßstange hockte und hiermit einen der drei Kommentare von sich gegeben hatte, aus denen   – wie ich inzwischen mitbekommen hatte   – ihr Repertoire bestand. Ihre beiden anderen Standardbeiträge zu jeder Unterhaltung lauteten »Hör bloß auf« und »Lass stecken«. Keine Ahnung, wer den Spitznamen Miss Monoton erfunden hatte, aber er passte gut zu ihr.
    »Dein T-Shirt solltest du in kaltem Wasser und etwas Chlorbleiche einweichen«, sagte Delia zu mir. Sie strich sich mit der Hand über ihren runden Schwangerenbauch und ließ sie mit gespreizten Fingern dort liegen. »Dann müsste der Fleck beim Waschen rausgehen.«
    Ich sah an mir herunter; den Fleck auf meinem T-Shirt hatte ich längst vergessen. »Ach so, ja. Mach ich.«
    Als der Trauzeuge des Bräutigams beim Essen aufgestanden war, um einen Trinkspruch auf das Brautpaar auszubringen, fuchtelte er vor lauter Eifer und Begeisterung so mit den Armen und vergaß dabei das Rotweinglas in seiner Hand, dass sich der Rotwein über mich ergoss. Über Schlinger und Grabscher wusste ich ja bereits Bescheid, doch dieser Herr lehrte mich alles, was ich über Fummler wissen musste, denn er tupfte und wischte geschlagene fünf Minuten an mir herum   – angeblich um den Fleck rauszureiben. Aber eigentlich führte es nur dazu, dass sich zwischen mirund diesem Mann in fünf Minuten mehr abspielte, als ich mit Jason je erlebt hatte.
    Jason. Der Gedanke an ihn zerrte und zog in meiner Bauchgegend. Gleichzeitig realisierte ich allerdings, dass ich seit drei Stunden nicht mehr an ihn, unsere Beziehungspause und meinen neuen Status als Freundin in der Warteschleife gedacht hatte. Aber es war passiert, war Realität; ich hatte vor lauter Hektik bloß nicht mehr daran gedacht.
    Ein Wagen fuhr an uns vorbei. Als er wendete, strich das Licht der Scheinwerfer über uns hinweg. Dann fuhr das Auto langsam   – unendlich langsam   – auf uns zu. Ich blinzelte, um besser erkennen zu können, was da herankroch. Auf jeden Fall war es kein normales Auto, sondern eine Art Lieferwagen, weiß mit grauen Flecken. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis das seltsame Fahrzeug uns erreicht hatte, doch schließlich fuhr es vorsichtig dicht an den

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