Zwischen jetzt und immer
meinte ich.
Sie nahm sich den nächsten Lockenwickler. »Kahl zu sein fand ich ätzend, das auf jeden Fall. Ich meine, selbst mit Hüten oder Tüchern gibt es nur begrenzte Variationsmöglichkeiten. Ich habe alles versucht, ich schwör’s, trotzdem habe ich vor lauter Freude geweint, als meine Haare endlich, endlich wieder nachwuchsen. Deshalb bringe ich es auch nicht mehr übers Herz, mehr als nur die Spitzen nachschneiden zu lassen. Und das auch möglichst nur alle paar Monate. Ich
liebe
meine Haare.«
»Du hast auch allen Grund dazu«, sagte ich. »Schließlich hast du echt schöne Haare.«
»Danke. Und ich glaube, ich weiß so was wirklich mehr zu schätzen als die meisten anderen Leute. Anders als alle anderen Mädchen oder Frauen beschwere ich mich nie über meine Haare, egal wie sie aussehen. Nie!«
Kristy krabbelte vom Bett, steckte sich die Haarbürste in die hintere Jeanstasche und hockte sich vor mich, um die letzten losen Strähnen mit einer Haarklammer festzustecken. »Okay«, sagte sie, »mit dir wäre ich so gut wie fertig. Die Nächste bitte . . . Miss Monoton?«
»N-nnnö.« Dieser Monica-Laut klang überraschend klar, fest und eindeutig.
»Nun lass mich wenigstens mal was ausprobieren. Dann würdest du sehen, dass –«
»Lass stecken.«
»Monica!«
Monica schüttelte langsam den Kopf. »Hör bloß auf«, sagte sie mahnend.
Kristy schüttelte seufzend den Kopf. »Wenn es um Outfits und Styling geht, weigert sie sich strikt, sich auf Experimenteeinzulassen«, sagte sie mit Grabesstimme, als gäbe es auf der Welt nichts Schlimmeres, bevor sie sich erneut ihrer Schwester zuwandte und mit den Händen an ihrem eigenen Kopf demonstrierte, was ihr vorschwebte. »Schau mal, so. Ich gebe dir sogar ein Stichwort.« Kristy legte eine kleine dramatische Kunstpause ein. »Im Perückenstil – was hältst du davon?«
Statt einer Antwort schüttelte Monica bloß den Kopf, stand auf und ging Richtung Tür.
»Tja, wer nicht will, der hat schon.« Kristy zuckte die Schultern. Monica schnappte sich ihre Handtasche, die auf dem Boden neben der Tür stand, und verließ das Zimmer. »Dann siehst du eben aus wie immer. Aber peppig ist was anderes, das kann ich dir flüstern.«
Als Antwort darauf ließ Monica die Haustür geräuschvoll hinter sich zufallen. Kristy schien das nichts weiter auszumachen. Sie baute sich, die Hände in die Hüften gestemmt, vor ihrem Kleiderschrank auf. Ich warf einen Blick durchs Fenster. Monica ging den Gartenweg entlang, ganz und gar nicht peppig, sondern – wie immer – unendlich langsam.
Kristy bückte sich, zog ein paar ausgelatschte Mokassins mit neckischen Troddeln unter ihren Klamotten hervor und warf sie mir zu. Ich betrachtete die Treter zweifelnd.
»Ich weiß genau, was du jetzt denkst«, sagte Kristy. »Aber Mokassins werden schwer unterschätzt, also zieh sie an. Und dein Dekolleté bearbeiten wir jetzt noch ein bisschen mit dem fabelhaften Selbstbräuner, den ich neulich besorgt habe. Ist im Bad, glaube ich.«
Sie huschte durch den Flur Richtung Bad. Und dann war sie weg. Man hörte sie nur noch leise vor sich hin murmeln.
Die Lockenwickler drückten schwer auf meinen Kopf. Bei dem Versuch, an mir selbst runterzuschauen, weil ich das Top noch mal genauer ansehen wollte, das Kristy mir verpasst hatte, verrenkte ich mir fast den Hals. In die dünnen Träger waren Glitzerfäden eingewoben, und der Ausschnitt war tiefer als bei sämtlichen meiner Kleidungsstücke zusammen. Außerdem war ich in dem Teil völlig overstylt, denn es sah aus wie etwas, das man auf einem Ball tragen würde, und passte für mein Gefühl überhaupt nicht zu den bereits ziemlich fadenscheinigen Jeans, die Kristy auch noch hochgekrempelt hatte. Auf dem einen Knie prangte ein mit Kuli aufgemaltes Herz. Während ich es so betrachtete – innen pechschwarz, links ein bisschen schief und nicht ganz symmetrisch –, dachte ich plötzlich: Dies sind nicht meine Sachen, das bin nicht ich. Und dieser Gedanke setzte sich gebetsmühlenartig in meinem Kopf fest. Okay, wahrscheinlich wollte ich mich mit dieser Aktion gegen Bethany und Amanda auflehnen, zumindest innerlich. Aber falls sie schief lief, würde ich dafür bezahlen müssen, und zwar ich ganz allein.
Ich muss weg hier, dachte ich. Stand auf, zog einen der Lockenwickler aus meinem Haar und ließ ihn auf die Bettdecke fallen. Was zur Folge hatte, dass plötzlich eine Korkenzieherlocke in meinem Blickfeld auftauchte und
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