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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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haben das Haus zusammen besichtigt. Viel wäre gar nicht zu tun, ein neuer Herd vielleicht, neue Fliegengitter vor Fenstern und Türen. Die Treppe müsste repariert werden und ein bisschen Farbe würde auch nicht schaden, sowohl innen als auch außen.«
    »Ich weiß nicht«, sagte meine Mutter. Und dann legte Caroline ihre Hand auf die meiner Mutter, ihre Finger verschränkten sich ineinander und ich sah zu. Caroline machte diese Geste ganz bewusst, meine Mutter hingegen reagierte auf den Händedruck ohne groß drüber nachzudenken. Noch so etwas, das ich die ganze Zeit hatte tun wollen und irgendwie nicht hingekriegt hatte: die Hand ausstrecken, meine Mutter berühren, in Verbindung mit ihr treten. Letztlich hatte ich mich nicht getraut. Doch bei Caroline sah es ganz einfach aus.
    »Bei so einer Renovierung gibt es viel zu bedenken«, sagte meine Mutter.
    »Schon klar«, antwortete meine Schwester in ihrer direkten, offenen Art; sie hatte schon immer gesagt, was sie dachte. »Das weiß ich auch. Aber ich liebe dich und ich helfe dir. Okay?«
    Meine Mutter blinzelte. Blinzelte gleich noch einmal. Seit mehr als einem Jahr war sie den Tränen nicht mehr so nah gewesen.
    »Caroline«, sagte ich, weil ich das Gefühl hatte, ich müsste, irgendwer müsste etwas sagen.
    »Alles in Ordnung«, meinte sie im Brustton der Überzeugung. Als zweifelte sie keine Sekunde daran, dass wirklich alles in Ordnung wäre. Und auch darum beneidete ich sie. »Alles wird gut.«
     
    Obwohl ich meine Linguine mit Pesto in Weltrekordtempo runterschlang und die zwei Blocks zur Bibliothek zurückrannte, war es zwanzig nach eins, als ich keuchend wieder bei der Arbeit auftauchte. Amanda verschränkte die Arme über der Brust und betrachtete mich mit zu Schlitzen verengten Augen, während ich hinter die Infotheke trat undmich um ihren sowie Bethanys Thronsessel rumquetschte, um zu dem mickrigen Eckchen zu gelangen, das sie mir gnädigerweise zugewiesen hatten.
    »Die Mittagspause endet um eins.« Amanda betonte jede einzelne Silbe, als läge meine Verspätung an einem grundsätzlichen Mangel an Intelligenz. Ein fast unmerkliches Lächeln huschte über Bethanys Gesicht; sie hob zwar rasch die Hand vor den Mund, doch gesehen hatte ich es trotzdem.
    »Ich weiß, tut mir Leid«, antwortete ich. »Es ging nicht anders.«
    »Alles geht anders«, erwiderte Amanda schnippisch und wandte sich wieder ihrem PC zu. Ich setzte mich. Und merkte, wie mein Gesicht feuerrot wurde, rot und glühend heiß. Wie wenn einem etwas ultrapeinlich ist oder man sich für etwas schämt.
    Und plötzlich, mit etwa anderthalbjähriger Verspätung, überkam es mich. Wie eine Erleuchtung. Nämlich dass ich niemals perfekt sein würde. Denn was hatten meine Anstrengungen, perfekt zu werden, mir letztlich gebracht? Einen Freund, der mich in dem Moment zurückstieß, da meine Fassade bröckelte und ich den Fehler machte, mich wie ein Mensch zu verhalten. Gute Zensuren, die für Besserwisserinnen wie Amanda und Bethany dennoch nie gut genug sein würden. Ein ruhiges, stilles Leben ohne Gefahren, aber auch ohne Spaß, sowie jede Menge schlaflose Nächte, in denen ich mit schwerem Herzen und schweren Gedanken wach lag und Unausgesprochenes in mir vergrub. Unausgesprochenes, das meine Schwester offen aussprach und dadurch Kraft bekam.
    Doch dieses mein bisheriges Leben löste sich allmählich auf, verflüchtigte sich. Und obwohl ich noch nicht wusste,wodurch ich wieder glücklich werden würde, obwohl ich den Weg noch nicht kannte, der mich zu einem anderen, einem neuen Ich bringen würde, obwohl ich noch keine Ahnung hatte, wie ich wieder ein ganzer, ein glücklicher Mensch werden konnte   – eines dämmerte mir: Hier, in der Bibliothek, würde ich das alles nicht finden. Endlich wurde mir das klar.
    Und deshalb . . . ein paar Tage später . . .
    Ich hatte am Nachmittag für Delia gearbeitet, bei einem Verlobungsempfang für die Freundinnen und weiblichen Verwandten der Braut (in einer Blockhütte, man höre und staune, alles auf Holz gestylt). Auch die übliche Katastrophe war natürlich nicht ausgeblieben, denn der Sodawasserautomat explodierte, und zwar ausgerechnet in dem Augenblick, als man zur Begrüßung anstieß. Ich hatte also gerade einen weiteren ganz normalen Tag mit
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überlebt, der sich im Prinzip nicht von all den anderen Tagen davor unterschied. Bis zu diesem Augenblick.
    »Na, Macy«, leitete Kristy unseren üblichen kleinen Dialog ein, wobei sie einen

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