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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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»Aber es hat auch sein Gutes, denn diese Party ist der totale Flop. An eurer Stelle würde ich direkt nach Hause fahren. Ich habe mich so was vongeirrt. Oder irgendwer hat mir echten Quatsch erzählt. Jedenfalls gibt es hier nur langweilige Typen.«
    Ich wandte den Kopf, um in den Tankladen hineinzublicken, wo Wes gerade an der Kasse stand und bezahlte. Der Mann, der uns mitgenommen hatte, wartete geduldig neben ihm. »Pech«, sagte ich zu Kristy.
    »Halb so schlimm. Eines Tages führe ich dir den ultimativen Supertypen vor, Macy. Einen Jungen, der garantiert nicht so ist wie alle anderen.« Ihre Stimme drang zuversichtlich an mein Ohr. »Es gibt sie, glaub mir.«
    »Keine Angst«, antwortete ich. »Ich glaube dir aufs Wort.«

Kapitel 10
    Meine Mutter war im Stress.
    Ehrlich gesagt, meine Mutter war eigentlich immer im Stress. Ich konnte mich schon gar nicht mehr daran erinnern, wann ich sie das letzte Mal entspannt gesehen hatte, wann sie das letzte Mal einfach nur irgendwo gesessen und man ihr nicht an der Nasenspitze angesehen hatte, dass sie bereits an die nächsten sechs Sachen dachte, die sie erledigen musste, und wahrscheinlich gleich auch noch an die übernächsten sechs. Sie hatte das mal gekonnt   – sich einfach dem Augenblick zu überlassen, allen Druck von sich abzuwerfen; am liebsten saß sie dann stundenlang in einem der altmodischen, klobigen Holzliegestühle (die so von Wind und Wetter gegerbt waren, dass man höllisch aufpassen musste, sich keine Splitter zu holen) auf der Veranda unseres Ferienhauses und sah aufs Meer hinaus. Ohne Buch, ohne Zeitung, ohne jedwede Ablenkung. Brauchte sie alles nicht. Nur den Horizont. Auf ihn richtete sie ihre gesamte Aufmerksamkeit, ihren völlig ruhigen Blick. Vielleicht liebte sie das Meer ja so, weil es sie dazu brachte, überhaupt nichts mehr denken zu müssen. Vielleicht fuhr sie deshalb so gern hin. Dorthin, wo die Welt sich in sich zusammenzog und auflöste, bis nichts mehr existierte als das gleichmäßige Geräusch des Ozeans, wenn sich die Wellenbrechen und das Wasser leise zischend und ziehend wieder hinausströmt.
    Das Projekt Wildflower Ridge stand und fiel mit meiner Mutter; letztendlich war alles auf ihr Engagement zurückzuführen. Die ursprüngliche Planung des Projekts, die detaillierten Pläne für jede einzelne Bauphase, die Gestaltung der Grünflächen, die Grundstücks- und Gebäudeverwaltung, sogar wie die Nachbarn sich untereinander organisierten   –
sie
traf alle wesentlichen Entscheidungen. Deshalb hatte ich mich daran gewöhnt, dass ihr Handy der Dritte im Bunde war, wenn wir beim Abendessen saßen. Statt eines Tellers lag es auf dem dritten Set   – da, wo früher Caroline gesessen hatte   – und klingelte vor sich hin. Ununterbrochen. Wenn meine Mutter sogar spätabends noch nicht daheim war, wunderte ich mich nicht weiter darüber, denn ich wusste, sie führte entweder Kunden durch die halb fertigen Häuser oder hielt im Modellhaus Hof. Und
wenn
sie daheim war, wunderte es mich ebenfalls nicht mehr, dass bei uns im Wohnzimmer ganze Versammlungen mit Handwerkern, Geschäftspartnern, Ladenbesitzern oder potenziellen Hauskäufern stattfanden, denen meine Mutter Ringvorlesungen darüber hielt, was an Wildflower Ridge so einzigartig sei.
    Zur Zeit befanden sich die Villen im Bau und die Villen waren meiner Mutter ganz besonders wichtig. Sie war ohnehin ein ziemliches Risiko eingegangen, als sie Luxushäuser für eine wohlhabende, anspruchsvolle Klientel   – die bereit und in der Lage war, für aufwändige Extra-Annehmlichkeiten wie beheizbare Garagen, Marmorbäder, Balkone und modernste Innenausstattung, vor allem in der Küche, sehr viel Geld zu bezahlen   – in das Projekt integrierte. Prompt verschlechterten sich genau in dem Moment, in dem sie konkret anfing zu bauen, die wirtschaftlichen Verhältnisse.Leute wurden entlassen, die Börse kollabierte und plötzlich hockten alle ängstlich auf ihrem Vermögen, vor allem wenn es um Immobilien ging. Da meine Mutter nun schon einmal losgelegt hatte, blieb ihr gar nichts anderes übrig als tapfer weiterzumachen; doch ihre Nervosität wuchs und entsprechend arbeitete sie immer mehr und immer härter, um ihre Kontakte zu pflegen, neue zu knüpfen und ihre Immobilien an den Mann zu bringen. Weil sie aber ohnehin schon fast jede Stunde, in der sie nicht im Bett lag und schlief, mit Arbeiten verbrachte, schien es eigentlich unmöglich, dass sie noch mehr arbeitete. Aber sie tat es.

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