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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Tilgner
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Krieg gegen Iran wesentlich schwerer zu führen sein wird als jener zum Sturz Saddam Husseins. Die Islamische Republik ist nahezu viermal so groß wie der Irak, zählt mit siebzig Millionen zweieinhalb mal so viele Menschen und ist wirtschaftlich und militärisch nicht so zerrüttet wie der Irak unter dem Regime von Saddam Hussein. Auch im Falle Irans streben die USA die Beseitigung des politischen Systems an. Aber die iranische Führung hat andere Möglichkeiten, ihre Machtpositionen zu verteidigen. Der Einfluss im Mittleren Osten ist weit verzweigt, und anders als im Irak bereitet man sich im Iran bereits seit Jahren auf eine militärische Auseinandersetzung mit den USA vor.
    Seymour Hersh hebt im April 2006 mit einem weiteren Artikel die Drohkampagne der USA gegen Iran auf eine neue Stufe. Der Kriegsplan besteht nach Informationen des Journalisten darin, dass eine »anhaltende Angriffswelle gegen Ziele im Iran die religiöse Führung demütigen wird und dies dazu führt, dass sich die Bevölkerung erhebt und die Regierung stürzt«. 21 Hersh will von einem Diplomaten in Wien gehört haben: »Es geht um viel mehr als die Atomfrage. Das ist nur ein Mobilisierungspunkt. Es steht genug Zeit zur Verfügung, um diese Frage zu lösen. Aber die Regierung glaubt, dass sie nicht geklärt werden kann, ohne dass sie die Herzen und die Gedanken Irans kontrolliert. Das Kernproblem besteht darin, wer in den nächsten zehn Jahren den Mittleren Osten und das Öl kontrollieren wird.« 22
    Im Gegensatz dazu beschränken sich die Absichten der EU-REGIERUNGEN auf die Verhinderung einer Atommacht Iran, und im Unterschied zu Washington streben die Europäer auch keinen Regimewechsel in Teheran an. Öffentlich verfolgen die USA zwar ebenfalls eine Politik, Iran mit diplomatischen Mitteln davon abzubringen, in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen. Dabei würden aber, so Hersh, die Geheimaktionen im Iran verstärkt und die Planungen für einen möglichen großen Luftschlag vorbereitet. Und für diesen Fall sollen - so weitere Informanten Hershs - Überlegungen bestehen, taktische Atomwaffen einzusetzen. Die Vereinigten Stabschefs der Teilstreitkräfte hätten im Weißen Haus ihre Ablehnung dieser Planungen bereits geltend gemacht.
    Nach Informationen Hershs soll schon ein umfassendes Programm für die politische und militärische Vorbereitung des Krieges gegen den Iran ausgearbeitet sein. In die Planung der Raketen- und Bombenangriffe seien Hunderte von Zielen einbezogen, die mit dem iranischen Atomprogramm gar nichts zu tun hätten, darunter Raketenstellungen, Kasernen der Revolutionswächter und Unterseeboote. 23

Amerikaner verstärken psychologische Kriegführung
    In der iranischen Öffentlichkeit schlagen die Meldungen über den Artikel von den US-Kriegsplanungen wie Bomben ein. Innerhalb von Tagen realisieren die Menschen, dass es wegen des Atomkonflikts sehr wohl zu einem Krieg kommen kann. Die bisher nur allzu leicht gemachten Aussagen, davor habe man keine Angst, sind nun weniger zu hören. Waren viele Iraner bis zu diesem Zeitpunkt bereit, eine Weiterführung des Atomprogramms auch gegen jeden Widerstand des Westens zu befürworten, so fragen sie sich plötzlich - zumindest insgeheim -, ob der Einsatz hierfür nicht zu hoch werden könnte. Denn eine militärische Auseinandersetzung wollen die wenigsten, denken sie doch mit Schrecken an die Toten und die gewaltigen Zerstörungen der achtziger Jahre im Krieg gegen Irak.
    Wie sich - gesteuerte oder der Wahrheit entsprechende - Informationen auf das öffentliche Meinungsbild auswirken, habe ich selten so eindrücklich erlebt. Freunde rufen in meinem Büro in Teheran an, um sich die Meldungen bestätigen zu lassen und meine Ansicht zu deren Glaubwürdigkeit zu erfragen. Taxifahrer wollen wissen, ob ich mit einem Krieg rechne. Und bei Straßenbefragungen ändern sich die Antworten. Plötzlich wird nicht mehr ein iranischer Alleingang in der Atomfrage gefordert, sondern die Menschen befürworten Verhandlungen. Viele Passanten wollen, dass Iran auf die Möglichkeit zur Urananreicherung verzichtet.
    Diese Wirkung von Informationen könnte bereits ein Ergebnis eines Programms sein, mit dem die US-Regierung ihre psychologische Kriegführung gegen Iran intensiviert. Im Februar stellte US-Außenministerin Condoleezza Rice bei einer Anhörung des Senats das

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