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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Tilgner
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enorme Bedeutung bei, denn sie fassen solche Aussagen als tatsächliche Angriffsabsichten auf und neigen sogar dazu, zu viel in sie hineinzuinterpretieren. Oft werden gegen Iran gerichtete Drohgebärden auch im inneriranischen Machtkampf genutzt. So stehen nach dem Ende des Irakkriegs in Teheran Journalisten aus dem Reformlager vor Gericht, weil sie für Verhandlungen mit den USA plädieren. Ihnen wird zur Last gelegt, nationale Interessen zu verraten, wenn sie sich für Gespräche mit einer Macht aussprechen, die als Gefahr für die Islamische Republik erachtet wird.
    Trotz der Atomverhandlungen zwischen den EU-Staaten und Iran intensivieren die USA ihre Drohungen. Oft werden diese durch Indiskretionen gestreut, die Journalisten dann mit großer Publizität verbreiten. Während US-Präsident Bush in der Rede zum Beginn seiner zweiten Amtszeit Iran nicht einmal beim Namen nennt und vierzehn Tage später in seiner Ansprache zur Lage der Nation dem iranischen Volk Unterstützung bei dessen vermeintlichem Freiheitskampf zusichert, werden mithilfe des Journalisten Seymour Hersh genau zwischen diesen beiden Bush-Auftritten in einem Zeitungsartikel Angriffsabsichten gegen Iran verbreitet. Der Journalist beruft sich vor allem auf Kritiker des Präsidenten in der Washingtoner Administration oder auf Informanten, die gerade aus dem Staatsdienst geschieden sind: »Als Nächstes werden wir einen Feldzug gegen Iran führen. Wir haben einen Krieg erklärt, und die bösen Buben, wo immer sie sitzen, sind die Feinde. Das ist das letzte Hurra - wir haben vier Jahre. Und wir wollen danach sagen können, wir haben den Krieg gegen den Terror gewonnen.« Diese Äußerung will Hersh von einem hohen Sicherheitsbeamten gehört haben. Der Journalist bekräftigt in seiner Geschichte im Magazin The New Yorker : »In meinen Interviews wurde mir wiederholt erzählt, das nächste strategische Ziel sei Iran.« 18
    Weltweit wird über den Hersh-Bericht diskutiert. Der US-PRÄSIDENT kann sich in solch einer Situation auf Andeutungen beschränken. Vor diesem Hintergrund macht es aus Sicht der iranischen Führung keinen Sinn, sich mit der EU auf einen Atomkompromiss zu einigen. Eine diplomatische Lösung wird auch erschwert, weil selbst in Europa laut über einen etwaigen Militäreinsatz nachgedacht wird. Frankreichs Präsident Jacques Chirac nennt zwar die Islamische Republik nicht beim Namen, sieht es aber als Aufgabe seines Landes an, gegen Staaten vorzugehen, die versuchen, »sich unter Bruch der Verträge mit Atomwaffen auszustatten«. 19 Frankreich könne mit seinem Atomwaffenarsenal flexibel reagieren, erklärt Chirac auf einem Marinestützpunkt. »Gegen eine Regionalmacht haben wir nicht nur die Wahl zwischen Untätigkeit und Vernichtung.« 20 Chirac will solche Aussagen nicht als Drohungen gegen Iran verstanden wissen. Doch der französische Präsident hätte sie dann auch besser erst gar nicht in den Mund genommen, denn wenn man in einem europäischen Land den Einsatz taktischer Atomwaffen erörtert, sollte man sich auch nicht über den Wunsch Teherans entrüsten, diese ebenfalls zu besitzen.
    Gegen alle Zweifel belassen es die USA nicht bei verbalen Drohungen, sondern demonstrieren ihre militärische Stärke. Im Frühjahr 2006 operieren acht Flugzeugträger in der Golfregion. Eine vergleichbare Konzentration gab es nur in den Wochen vor dem Angriff der USA und deren Verbündeten auf den Irak im März 2003. Kampfbomber, die auf den Riesenschiffen stationiert sind, proben den Abschuss taktischer Atomwaffen des Typs B 61-11, mit denen Bunker geknackt werden sollen. Die US-Manöver finden im Bereich der Radarschirme der iranischen Marine statt. Dabei üben die Flugzeuge auch das »Overtheshoulder bombing«, bei dem der Pilot seine Maschine senkrecht in die Lüfte jagt, während die Bombe ihr Ziel sucht. Mit solch spektakulären Aktionen - vor allem mit ihrer Häufung - wird der Druck auf die iranische Staatsführung systematisch erhöht. Unklar bleibt, ob die militärischen Machtdemonstrationen als psychologisches Mittel genutzt werden sollen, um die iranische Führung zum Einlenken zu bewegen, oder ob es sich um reale Kriegsvorbereitungen handelt.
    Dabei sind unterschiedliche Elemente der gegen Iran geführten Kampagne präzise aufeinander abgestimmt. Denn in Washington weiß man genau, dass ein

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