Zwischen Krieg und Terror
»Hadji Girl«. Damit spielt er auf die Hadj an, die Pilgerfahrt nach Mekka. Der Song handelt von einem Soldaten, der sich in eine Irakerin verliebt, die deshalb von ihrer Familie ermordet wird. Als auch der Soldat sterben soll, richtet dieser die Familie hin. Auf Proteste von muslimischen Organisationen beim US-VERTEIDIGUNGSMINISTERIUM erfolgt nur die Antwort der Einheit des Soldaten, dass dieser sich nichts habe zuschulden kommen lassen. Belile entschuldigt sich und will das Lied nicht aufnehmen. Daraufhin kündigt ein Radiomoderator an, den Song publik zu machen.
In den USA und auch in Europa gehen Meldungen über derartige Vorfälle unter und werden, anders als im Irak, kaum beachtet. Dort empören sich die Anhänger aller politischen Lager immer mehr über die Art, mit der amerikanische Militärs Straftaten vertuschen und Irakern anzulasten versuchen. Seit der Aufklärung der Mahmudiyah-Morde fordert auch die irakische Regierung unter Ministerpräsident Nuri Al Maliki, dass US-Soldaten für Verbrechen im Irak von irakischen Gerichten verurteilt werden. Denn Angehörige der multinationalen Truppen und privaten Sicherheitsfirmen, die mit den USA zusammenarbeiten, genieÃen Immunität: Als US-Zivilverwalter Bremer im August 2004 die Macht auf die irakische Ãbergangsregierung übertrug, legte er in »Befehl Nr.17« auch die Bedingungen für den Einsatz der amerikanischer Truppen im Irak fest, darunter ebenjene, die sich auf die Immunität bezieht.
Iraks wirtschaftlicher Verfall
Saddam Husseins Sturz und geplante Projekte für den Neuaufbau Iraks lösen ein wirtschaftliches Strohfeuer aus. Jahrzehnte entbehrte Konsumgüter überschwemmen das Land, da die Grenzen für Importe geöffnet und keine Zölle und Steuern mehr erhoben werden. Satellitenschüsseln und Gebrauchtwagen aus Europa und Fernost sind die groÃen Renner. Vor allem der Verkauf billiger Importwaren boomt, da Iraker die neu gewonnene Freiheit des Konsums genieÃen und etliche ihre Ersparnisse ausgeben. Doch sehr bald werden negative Auswirkungen spürbar. Unter der Konkurrenz der Billigimporte bricht ein groÃer Teil der irakischen Privatwirtschaft zusammen.
Alteingesessene Schuhmanufakturen müssen genauso schlieÃen wie Hühnerfarmen. Viele der im Land produzierten Güter können mit den Billigprodukten aus dem Ausland nicht konkurrieren. Andere Betriebe sind zum Aufgeben gezwungen, weil ihnen die Arbeitskräfte davonlaufen. Statt sich wie zur Zeit Saddam Husseins für umgerechnet vierzig oder fünfzig Dollar einen Monat lang abzurackern, lassen sich vor allem junge Männer von den neuen Sicherheitsfirmen das Fünffache zahlen und bewachen Hotels, schützen ausländische Unternehmen oder begleiten als Bodyguards die Limousinen ausländischer Spezialisten.
Der Plan, mit einer Liberalisierung des Marktes die Wirtschaft anzukurbeln, geht nicht auf. Weder reiche Auslandsiraker noch ausländische Firmen sind bereit, ihr Geld im unsicheren Irak anzulegen. Plünderungen und Rechtlosigkeit schrecken potenzielle Investoren ab, das Vakuum der zusammengebrochenen Staatsfirmen auszufüllen. Einzig der Bausektor boomt, da sich Wohnungen und Geschäftsräume gut verkaufen oder vermieten lassen, denn die Iraker gehen davon aus, dass sich der Aufschwung irgendwann schon einfinden wird. Diese Hoffnung basiert auch darauf, dass viele glauben, die US-Truppen würden letztlich Herr der Lage. Doch diese Erwartungen erfüllen sich nicht.
Aus dem Ausland importierte Fahrzeuge tragen sogar zu einem weiteren Niedergang der Ordnung bei. Wegen der Niedrigstpreise für Benzin sind in Bagdad binnen weniger Monate mehr BMWs der alten Siebener-Reihe unterwegs als in Hamburg oder München. Vor allem die Benzin fressenden Modelle der achtziger Jahre, die in Deutschland unverkäuflich sind, finden reiÃenden Absatz. Auf dem Seeweg über das jordanische Aqaba oder auf dem Landweg über die Türkei und Kurdistan finden sie den Weg aus den Altwagenhalden der Händler Europas zurück auf die StraÃen einer GroÃstadt. Insbesondere groÃe Autos älterer Baujahre stehen in Bagdad hoch im Kurs. Die StraÃen werden voller, die Staus gröÃer, und das Benzin wird knapper.
Je mehr Autos in Bagdad die StraÃen verstopfen, desto länger werden die Schlangen vor leeren Zapfsäulen. Dieses Szenario ist eigentlich absurd, weil das Land trotz riesiger
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