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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Tilgner
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für die Organisation. Bin Laden sichert Zarqawis Nachfolger Al Mohadjer zwar seine Unterstützung zu, aber dem achtunddreißigjährigen Ägypter mangelt es an Ausstrahlung. Auch in seiner Heimat ist er vor seiner Auswanderung nach Afghanistan nicht in Erscheinung getreten. Da Al Mohadjer sich jahrelang als treuer Gehilfe Zarqawis betätigt hat, muss man davon ausgehen, dass er zur gleichen Brutalität fähig ist wie sein Lehrmeister. An der Vorgehensweise Al Kaidas und der mit ihr verbündeten Organisationen hat sich nach Zarqawis Tod wenig geändert: Selbstmordattentäter begehen weiter ihre Wahnsinnstaten, und in den Straßen Bagdads explodieren Autobomben. Die Anzahl und die Wucht der Anschläge sind bis Anfang September rückläufig. Möglicherweise vermutet man bei den US-STREITKRÄFTEN auch deshalb, dass Al Kaida versucht, im Irak eine politische Organisation aufzubauen, um die Unzufriedenheit der Bevölkerung besser kanalisieren zu können. Aber das wäre ebenfalls nichts grundsätzlich Neues, denn der Abgeordnete Waeel Abdul Latif behauptet, auf einem im letzten Versteck Zarqawis entdeckten Mobiltelefon seien Telefonnummern von Regierungsmitarbeitern und Mitgliedern des Parlaments gespeichert gewesen. Sollte der Al-Kaida-Chef im Irak tatsächlich in persönlichem Kontakt zu den höchsten politischen Kreisen Iraks gestanden haben, so wäre das nur ein weiterer Beleg dafür, wie sehr Al Kaida von den Sunniten Iraks bereits akzeptiert wird.
    Osama bin Laden hat diese Stärke der Terrorgruppe im Irak erkannt und im Nachhinein die Politik seines Statthalters Zarqawi gutgeheißen, einen Bürgerkrieg zu entfachen. Die USA haben den Fehdehandschuh aufgenommen und 13 000 zusätzliche Soldaten in die irakische Hauptstadt geschickt. Sie sollen den bereits dort stationierten Einheiten dabei helfen, eine Ausweitung des ausgebrochenen Flächenbrandes zu verhindern und die Lage in Bagdad zu stabilisieren.

6
    Pulverfass Irak
    Für die Terroristen geht ein Traum in Erfüllung. In Bagdad wird gemordet, gebombt, entführt und geschossen. Wenn weniger als zehn Menschen am Tag sterben, sind Minister erleichtert und sprechen US-Generäle von einem Erfolg. 3438 Opfer der Gewalt meldet das Gesundheitsministerium für den Juli 2006, so viele Tote in einem Monat hat es seit dem Sturz Saddam Husseins nicht gegeben. 1 Damit sterben täglich im Irak nahezu doppelt so viele Menschen wie im Libanonkrieg. In den acht Monaten seit der Sprengung der Moschee in Samarra sind mindestens 315 000 Iraker aus ihren Wohnungen und Häusern geflohen oder vertrieben worden. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen befinden sich insgesamt 1,3 Millionen Menschen im eigenen Land auf der Flucht, das sind fünf Prozent der Bevölkerung.
    Oft ist nicht auszumachen, warum Familien vertrieben, Kinder der Reichen entführt oder Familienväter gefoltert und ermordet werden. Zu unterschiedlich können die Motive der Täter sein. Sowohl Schiiten als auch Sunniten und Kurden verlassen ihre Heimat, um in für sie sicherere Gegenden zu ziehen. Gemischte Nachbarschaften verschiedener Glaubensrichtungen oder unterschiedlicher ethnischer Gruppierungen gibt es immer seltener. Allein in Jordanien leben eine Million Flüchtlinge aus dem Irak, in Syrien sind es hunderttausende. Wer es sich leisten kann, wandert ins Ausland ab oder schickt zumindest Frau und Kinder dorthin. Seit dem Sturz Saddam Husseins haben 1 300 000 Iraker das Land verlassen. Universitäten und Krankenhäuser können nicht mehr vernünftig arbeiten, da sie die Mehrheit ihres Personals verloren haben.
    Viele der im Leichenschauhaus von Bagdad aufgebahrten Toten werden niemals identifiziert. Von Januar bis Mai wurden 8000 Leichen von Ermordeten in die Gerichtsmedizin Bagdads eingeliefert. In Bagdad herrscht Bürgerkrieg, auch wenn Politiker immer noch von »Chaos« und der »Gefahr eines Bürgerkriegs« sprechen. Mit solchen Begriffen wird die Lage in der Hauptstadt nur beschönigt. Milizen und Aufständische gehen mit Bomben und Schusswaffen auf Menschen los, die ihnen in den meisten Fällen wildfremd sind. Einheiten der irakischen Armee, die von US-Soldaten unterstützt werden, trennen ganze Stadtteile voneinander, und zwischen einzelnen Straßenzügen werden Mauern errichtet.
    Flüchtlinge sprechen auch nicht von Chaos. Sie haben brutale Gewalt gespürt und den

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