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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Tilgner
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Arbeitsplätze und Aufträge für ihre Leute durchsetzen. Vorsichtiges Taktieren kennzeichnet den Verhandlungsstil der Scheichs. Während sich in den Stadtteilen Bagdads Sunniten und Schiiten, also ihre Untertanen, bekämpfen und sunnitische Kommandos US-Konvois angreifen, treffen sich die Stammesführer unter dem Schutz amerikanischer Soldaten. Nur wer sich auf diese Art des Taktierens einlässt, kann im Irak erfolgreich Politik betreiben. Durch Verhandlungen lässt sich mehr erreichen als durch militärischen Druck. Die irakischen Offiziere haben ihre Schmach, die Entlassung durch den US-Zivilverwalter, nicht vergessen und nutzen auch die Stammesvertreter, um ihre alte Forderung aufrechtzuerhalten.
    So betont der Vorsitzende des Rates für die Nationale Versöhnung - selbst ein Scheich - nach dem Treffen der sechshundert Stammesvertreter deren Wusch, eine nationale Armee aufzustellen, die die Aufgabe der multinationalen Streitkräfte übernehmen soll. 4 Im Kern handelt es sich um die Forderung, die Entfernung der Vertreter der Stämme aus der Armee rückgängig zu machen. Damit wird offensichtlich, dass die Sunniten eine Neuorientierung der Sicherheitspolitik zu einer ihrer Vorbedingungen für eine nationale Aussöhnung erheben und die Wiedereinsetzung von Beamten und Offizieren, die bereits unter Saddam Hussein an der Macht beteiligt waren, erzwingen wollen. Ministerpräsident Maliki und die US-Generäle werden diesem Verlangen zumindest teilweise nachgeben müssen, wenn sie die Konfrontation zwischen Sunniten und Schiiten entschärfen möchten.
    Für Maliki ist die Wiedereingliederung der Sunniten in den Staatsapparat eines der wichtigsten Ziele bei seinem Amtseintritt im August 2006. Er möchte einen Neuanfang wagen. Seinem Streben nach innerer Einheit entspricht die Distanz, die er zu den USA sucht. Wiederholt kritisiert er Straftaten amerikanischer Soldaten und fordert, sie der irakischen Gerichtsbarkeit zu unterstellen. Zudem trifft er sich auch mit Aufständischen. Paradoxerweise ergibt sich aus der Anwesenheit der US-Soldaten die Chance zu einer etwaigen Einigung zwischen sunnitischen Untergrundorganisationen und der Regierung. Noch Wochen zuvor wäre dies nicht möglich gewesen. Diese Haltung der sunnitischen Stämme kann nicht überraschen, denn sie wollen sich nicht einer von Schiiten und Kurden kommandierten irakischen Armee und Polizei unterordnen. Ihre Forderung besteht darin, selbst Machtpositionen in der neuen Polizei und Armee einzunehmen. Ministerpräsident Malikis Bemühungen laufen nun darauf hinaus, den Regierungsgegnern eine Zusammenarbeit zu erleichtern, indem er die nationale Aussöhnung als Voraussetzung für die »Befreiung der Nation von ausländischem Einfluss« 5 bezeichnet und damit ein Ende der Besatzung in Aussicht stellt.
    Aus dieser Verbindung - Einschreiten der US-Truppen zur Beendigung des Bürgerkrieges und Initiative zur politischen Versöhnung der Konfliktparteien - ergibt sich eventuell die letzte Möglichkeit, ein Auseinanderfallen Iraks abzuwenden. Auch aus diesem Grund werden die Terroristen alles daransetzen, eine allmähliche Normalisierung der Verhältnisse abzuwenden. Waren die Attentate monatelang ein erfolgreiches Mittel, um den Bürgerkrieg im Irak herbeizubomben, so versuchen die Terroristen seit August mit ihren Anschlägen, diese Politik der Wiederannäherung zu torpedieren. Denn Al Kaida im Irak wird in ihrer Existenz gefährdet, wenn sich Sunniten und Schiiten auf eine Zusammenarbeit einigen. Wenn der Irak dagegen in den Wirren eines Bürgerkriegs versinken und auseinander fallen sollte, dann könnte ein Albtraum von US-Präsident Bush Wirklichkeit zu werden. Zwar sprach er drei Jahre lang vor allem von großen Erfolgen im Irak, doch plötzlich nennt er einen neuen Grund, weshalb er die Truppen nicht aus dem Irak abziehen will. Auf dem Hauptschauplatz des Krieges gegen den Terror drohe eine Niederlage. Ein Abzug, bevor die Aufgaben gelöst seien, werde »zur Bildung eines terroristischen Staates im Herzen des Mittleren Ostens führen«. 6

Ein Land droht auseinander zu brechen
    Diese Gefahr ist tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Überall im Irak machen sich die Bruchlinien zwischen den von Schiiten, Kurden und Sunniten bewohnten Landesteilen immer stärker bemerkbar. Sollte das Land zusammenbrechen, so könnte der sunnitische Teil unter

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