Zwischen Krieg und Terror
zur Durchsetzung eigener Interessen in einer globalen Auseinandersetzung genutzt. Auch den schwachen Protest in der westlichen Welt gegen die Unterdrückung islamischer Bewegungen wie zum Beispiel in Ãgypten interpretieren deren Anhänger als Zeichen, dass bürgerliche Rechte nur angemahnt werden, wenn dies im Interesse des Westens ist.
Durch die Kriege nach dem 11. September werden diese Gefühle verstärkt. Mit ihren Alleingängen torpedieren die USA Versuche, die diplomatischen Möglichkeiten voll auszuschöpfen. In seinem Unilateralismus ignoriert Präsident Bush die eigentlichen Wurzeln des Terrorismus. Statt die Probleme der Region mittels einer systematischen Politik anzugehen, eröffnet er den Feldzug gegen den Terror und schafft eine Front, deren Linie mehr und mehr längs der Grenzen zwischen Christentum und Islam zu verlaufen droht. Wie Saddam Hussein mit der Besetzung Kuwaits die arabische Welt endgültig spaltete und den Panarabismus ad absurdum führte, drohen die Menschenrechte durch das internationalem Recht zuwiderlaufende Vorgehen der US-Truppen ihren universellen Anspruch zu verlieren. Da sie von den USA im Kampf gegen den Terror auch offiziell eingeschränkt werden, können sie diesbezüglich auch nicht mehr als Werte dienen. Und dieser taktische Umgang mit demokratischen Prinzipien ist Wasser auf die Mühlen Bin Ladens.
Christen in der arabischen und islamischen Welt leiden zusätzlich unter dieser Politik. Unter den 2000 Irakern, die im Herbst 2006 täglich nach Syrien fliehen, ist der Anteil der Christen besonders hoch. In der vom Hohen Flüchtlingskommissariat seit Dezember 2003 geführten Statistik sind 44 Prozent Christen. Nach Einschätzung des katholischen Bischofs von Bagdad hat die Hälfte der Christen den Irak bereits verlassen. Unter ihnen war die Erbitterung besonders groÃ, dass der US-PRÃSIDENT in einer Rede als Reaktion auf den 11. September einen Kreuzzug ankündigte. Auch wenn Bush diesen Begriff später nicht wiederholt hat, so dient er Al Kaida als Begründung, gegen die Christen in den arabischen und islamischen Staaten zu mobilisieren. Während im Irak Anschläge und Angriffe auf Kirchen zunehmen, sehen sich die Christen in Syrien, Jordanien und Palästina schleichenden Repressionen ausgesetzt. Auch ihr Anteil hat sich nahezu halbiert. Sollte dieser Trend nicht gestoppt werden, so wird es in den islamischen Ländern des Nahen und Mittleren Osten in einigen Jahrzehnten nur noch vereinzelt Christen geben. Dies ist eine dramatische Entwicklung, weil Christen und Moslems in den vergangenen Jahrhunderten weitgehend friedlich in der Region zusammengelebt hatten.
Nur ein entschlossenes Ausschöpfen aller diplomatischen Möglichkeiten, um die einzelnen Konflikte aus der Welt zu schaffen, kann für eine Normalisierung der Gesamtsituation im Nahen und Mittleren Osten sorgen. Und wenn dabei der Ruf nach demokratischen Reformen laut wird, dann muss diese Forderung an alle gerichtet sein, unabhängig von Bündnisüberlegungen. Selektiver Druck auf Syrien und Iran führt eher zu einer Verhärtung der innenpolitischen Verhältnisse in diesen Ländern. Je gröÃerem Druck sich die islamische Führung in Teheran ausgesetzt sieht, desto erfolgloser werden auch die Versuche bleiben, den Problemen in den Nachbarländern Irak und Afghanistan auf friedlichem Wege beizukommen. Syrien wird radikale Palästinenserfraktionen so lange unterstützen, wie das eigene Verhältnis zu Israel nicht durch einen Friedensvertrag geregelt und die strittige Frage um die Golanhöhen geklärt ist. Und Saudi-Arabien muss daran gelegen sein, die Bildung demokratischer Staaten in der Region zu torpedieren, um Modelle positiven politischen Wandels zu verhindern, da durch sie das eigene System gefährdet werden könnte. Nur durch die Auflösung der globalen Frontstellung und die Beendigung der einzelnen Konflikte wird langfristig die Ausbreitung des islamistischen Terrorismus im Nahen und Mittleren Osten zu verhindern sein. Dies ist eine der Voraussetzungen, die bereits existierenden Netzwerke dieser Terroristen wieder aufzulösen.
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Dialog der Kulturen
Feindbilder
In Bagdad herrscht Krieg zwischen Schiiten und Sunniten. Seit September 2006 werden auch Christen ermordet und Kirchen beschossen. In der irakischen Hauptstadt und dem im Norden gelegenen Mosul eskaliert der Bürgerkrieg und bekommt
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