Zwischen Krieg und Terror
Konflikt geht, werden UN-Resolutionen nicht ernst genommen und deren Umsetzung nicht angemahnt oder gar erzwungen. Dabei wären diese Resolutionen eine geeignete Grundlage, um den Konflikt zu beenden. Araber haben kein Verständnis dafür, dass die internationale Staatengemeinschaft einerseits Israels Weigerung duldet, sich aus den 1967 annektierten Gebieten zurückzuziehen, andererseits jedoch Kuwaits Besetzung 1991 durch den Irak mit einem Krieg beantwortet. Denn zahlreiche Araber sahen im irakischen Diktator einen Vorkämpfer zur Durchsetzung gesamtarabischer Interessen. Für sie stellte die Besetzung Kuwaits die Beseitigung eines korrupten prowestlichen Regimes und einen ersten Schritt zur Einigung der arabischen Welt dar. In Wirklichkeit versetzte Saddam Hussein mit seiner Politik dem Panarabismus den TodesstoÃ.
Dass Bin Laden der saudischen Regierung Unterstützung für den Kampf gegen irakische Truppen anbietet, zeigt das neue Selbstbewusstsein der islamistischen Kräfte. 8 Nach dem Abzug der Sowjettruppen aus Afghanistan sucht er für seine Anhänger und die von ihm mit Unterstützung der CIA organisierten arabischen Mudjahedin neue Kampfaufgaben. Dabei ist bezeichnend, dass er nicht Israel, sondern das irakische Regime bekämpfen will.
Zwei Tendenzen haben den arabischen Nationalismus geschwächt und ausgehöhlt. Mehr und mehr orientieren sich Menschen in der arabischen Welt global und entwickeln eine Identität von Weltbürgern. Beamte, Händler und Intellektuelle sind zunehmend weniger bereit, sich in der Auseinandersetzung um den Aufbau nationaler Staaten zu verschleiÃen. Gleichzeitig verliert das national orientierte Lager viele Anhänger an eine erstarkende religiöse Bewegung, die sich nicht mehr nationalen Idealen verpflichtet fühlt.
Auch bei Israelis und Palästinensern ist eine Kehrtwendung hin zur Religion seit Ende der achtziger Jahre verstärkt zu beobachten. Fundamentalistische Ideen, also eine Besinnung auf vermeintliche Grundlagen der religiösen Ãberzeugungen, dienen immer mehr als Quelle, die Entwicklung einer modernen Zivilgesellschaft abzublocken. Der Zerfallprozess der Selbstverwaltungsbehörden der Palästinenser aufgrund von Vetternwirtschaft, Korruption und Karrieredenken und der damit zusammenhängende Wahlsieg der radikalislamischen Hamas verdeutlichen, dass dem Nationalismus bereits die Kraft fehlt, als tragende Säule für einen historischen Kompromiss mit Israel zu dienen. War es doch die vorher regierende Fatah-Bewegung von Jassir Arafat, die in Palästina als bedeutendster Faktor eines säkularen Nationalismus galt. Die derzeitige Situation bietet also denkbar schlechte Voraussetzungen für den dringend notwendigen und überfälligen Erfolg eines Lösungskonzepts zwischen Israelis und Palästinensern, das auf die Bildung zweier Nationalstaaten abzielt.
So sehen die meisten Palästinenser die Räumung der israelischen Siedlungen im Gazastreifen auch nicht als Ergebnis internationaler Friedensbemühungen, sondern als Resultat der Anschläge islamistischer Organisationen. Auch Israels Rückzug aus dem Süden Libanons wird als Reaktion auf die Dauerangriffe der schiitischen Hisbollah-Milizen gewertet. Viele Menschen im Orient sind nicht bereit, Appelle oder Forderungen des Westens zu befolgen, auf Angriffe und Terror zu verzichten, nicht zuletzt weil es der internationalen Staatengemeinschaft nicht gelingt, UN-Resolutionen kompromisslos Geltung zu verschaffen. Damit erscheint ihnen eine religiöse Orientierung als Ausweg.
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben Hoffnungen, Probleme im Orient friedlich beizulegen, immer wieder Rückschläge erlitten. Die arabisch-israelischen Kriege, der Bürgerkrieg im Libanon und der Krieg zwischen Iran und Irak in den achtziger Jahren haben die Entwicklung der Region schwer beeinträchtigt und zum Teil sogar verhindert. Erwartungen, die Staaten des Westens würden solch einer Kette von Tod und Zerstörung ein Ende bereiten, erfüllen sich nicht. In Europa werden diese Kriege nicht einmal richtig wahrgenommen.
Fehlender Wille oder das Scheitern der internationalen Bemühungen zur Lösung der Konflikte verstärkt das Auseinanderklaffen der Wertesysteme zwischen dem Morgen- und dem Abendland, also dem Orient und dem Westen. Im Orient wächst der Verdacht, Forderungen nach Frieden und Demokratie würden als taktische Mittel
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