Zwischen Krieg und Terror
Züge eines Krieges der Kulturen. Hilflos schaut die internationale Gemeinschaft der täglich zunehmenden Brutalisierung der Auseinandersetzungen zu, ohne einen Plan für die Beendigung der Gewaltausbrüche zu entwickeln. Schon lange sind die Toten nicht mehr Soldaten oder Mitglieder von Milizen oder Untergrundgruppen, auch die Anzahl der Opfer unter den Zivilisten erhöht sich stetig: Junge und Alte, vor allem Männer, doch auch mehr und mehr Frauen oder Kinder. Wer einer anderen Glaubensrichtung oder gar Religion angehört, läuft Gefahr, getötet zu werden. Bereits überkommene Feindbilder bestimmen die Konfrontation. Es sind nicht mehr politische Kämpfe, der Glaube bildet die Trennungslinie, längs der die Auseinandersetzung geführt wird. Mit Saddam Husseins Sturz hat der Nationalismus seine einende Kraft verloren, nicht zuletzt weil der Diktator seine Terrorherrschaft auf der Verwirklichung nationaler Ideale gründete.
Mit der Bildung von Parteien und freien Wahlen kann das nach dem Ende des alten Regimes entstandene Vakuum nicht ausgefüllt werden. Neue Gruppierungen nutzen die Wirren der Nachkriegszeit, um die Aufteilung Iraks vorzubereiten. War es früher die Zustimmung oder die Ablehnung des Regimes, von der es abhing, ob jemand gefördert oder verfolgt wurde, so bestimmt heute die Gruppenzugehörigkeit das Schicksal der Menschen - Sunniten töten Schiiten und umgekehrt. Christen werden ermordet, weil man in ihnen nicht Iraker, sondern Parteigänger westlicher Mächte sieht. Aus dem Krieg der Glaubensrichtungen wird auch ein Krieg der Religionen, weil Fanatiker, die Christen umbringen, westliche Kultur und Christentum gleichsetzen.
Im Orient werden alte Kampfmuster und Feindbilder wiederbelebt. Was viele Europäer im »Türkensturm auf Wien« mit dem Feindbild des Islam verbinden, sind für Moslems die Soldaten des Abendlands, die den Islam angreifen wollen. Waren dies historisch die Kreuzritter und die Armeen der Kolonialmächte Frankreich und GroÃbritannien, so unterstellt man heute den US-Truppen, sie seien ausgezogen, den Islam zu bekämpfen und eine neue Kultur zu verbreiten.
Damit ist eine paradoxe Situation entstanden. Genauso wie sich in Europa seit den achtziger Jahren ein Feindbild Islam aufgebaut hat und sich seit den Anschlägen der vergangenen Jahre Menschen in Paris, London oder Berlin durch islamistischen Terror bedroht fühlen, sehen viele Moslems im Orient in den ausländischen Soldaten im Irak und in Afghanistan die Krieger eines modernen Kreuzzugs des Westens. Aus der Geschichte herrührende Ãngste flieÃen in die laufende Auseinandersetzung ein und erhöhen die Gefahr, die derzeitigen Konflikte als weltweite Auseinandersetzung zwischen Christentum und Islam zu interpretieren.
Während im Westen der Islam als Störfaktor zur Entwicklung einer globalen Gesellschaft gesehen wird, da man ihm und etlichen islamischen Staaten die Fähigkeit abspricht, sich zu ändern, wird im Orient befürchtet, der Westen wolle sich vor allem diese Teile der islamischen Welt unterwerfen, um die dortigen Rohstoffvorkommen zu kontrollieren und ausbeuten zu können. Im Terror Al Kaidas und im unilateralen Vorgehen, mit dem die USA auf die Anschläge reagieren, sehen viele Beobachter ihre Ãngste und Vorurteile bestätigt. Zwischen dem Westen und der islamischen Welt ist eine tiefe Vertrauenskrise entstanden. In der Auswanderung der Christen aus der arabisch-islamischen Welt manifestiert sich eine sich stetig vergröÃernde Kluft, die sich zwischen Teilen des Morgen- und des Abendlands auftut.
Mit Klischees wird die jeweils andere Seite dargestellt. Medien und Ãffentlichkeit der westlichen Welt weigern sich zum Beispiel über Jahre hinweg, ein differenziertes Bild Irans zu zeichnen oder wahrzunehmen. Der Sturz des Schahs, eines der letzten groÃen Helden der Regenbogenpresse, wird den Ayatollahs lange nicht verziehen. In der Berichterstattung prägen hassverzerrte Gesichter von Demonstranten und zum Kampf gegen den Westen aufrufende Geistliche das Bild der Islamischen Republik. Statt in seiner Vielschichtigkeit wird Iran als Zentrum islamistischer Radikaler gezeigt. Bei solch einer Wahrnehmung können die Chancen für einen Dialog nicht genutzt und die groÃen in der islamischen Welt bestehenden Unterschiede nicht mehr gesehen werden.
Beim Weltwirtschaftsforum 2006 in Davos bedauert der ehemalige
Weitere Kostenlose Bücher