Zwischen Leidenschaft und Liebe
Mann verlobt, und sie war eine Frau, die genau wußte, was sie wollte und sich dementsprechend verhielt. Sie liebte Harry, und sie würde ihr Leben als Herzogin von MacArran verbringen.
Andrerseits schuldete sie Trevelyan aber auch etwas. Er hatte ihr bei ihrem Komplott, Leatrice mit James Kincaid zu verheiraten, geholfen. Auch wenn diese Verbindung offenbar nichts verändert hatte: Trevelyan hatte ihr geholfen. Er hatte es zwar nicht auf eine korrekte Weise getan, aber das stand auf einem anderen Blatt.
Und Trevelyan war zudem Harrys Vetter. Würde Harry nicht wollen, daß sie einem Mitglied der Familie half, falls es Hilfe brauchte? Gehörte es nicht zu den Aufgaben einer Herzogin, für alle Mitglieder seiner Familie zu sorgen? Sie konnte nicht etwas für ihre eigene Familie tun und Harrys Familie vernachlässigen. Wenn Harry hier gewesen wäre, hätte er Trevelyan zweifellos geholfen. Er würde wahrscheinlich auf seinem stattlichen Hengst nach Edinburgh reiten und diesen Powell zwingen, ihm die Perle des Mondes herauszugeben. Ja, natürlich würde Harry das tun.
Sie sah Oman an. »Bringen Sie ihn dazu, daß er mit einer Kutsche reist und auf mich wartet. Ich finde mich so rasch wie möglich bei den Ställen ein.«
Sie drehte sich dem Haupthaus zu, wobei ihr im gleichen Moment der Gedanke kam, daß sie nicht wußte, wie sie unbemerkt in das Haus gelangen konnte. Sie konnte es nicht durch den Haupteingang betreten, ohne von jemandem gesehen zu werden, und der einzige Zugang zu den Geheimgängen, den sie kannte, befand sich in Trevelyans Turm.
Oman schien ihr Dilemma zu ahnen. Er ging um das Haus herum und führte sie bis zum Ostflügel. Dort befand sich, ebenfalls hinter Sträuchern versteckt, eine kleine Tür in der Mauer. Oman öffnete sie. Claire wollte ihm sagen, daß sie keine Kerze bei sich habe, doch Oman deutete nur auf eine Nische in der Wand, in der sich kleine Kerzen und Zündhölzer befanden. Sie zündete eine dieser Kerzen an und sah über die Schulter, um sich bei Oman zu bedanken, aber er war bereits fort.
Claire hatte keine Ahnung, wo sie sich befand oder wie sie durch die Geheimgänge zu ihrem Zimmer gelangen konnte. Sie sah auf den Boden, ob sie Spuren im Staub des Geheimgangs entdecken konnte. Sie war nicht überrascht, eine Unmenge Fußspuren auf dem Boden zu sehen, und sie schienen alle von einem Menschen zu stammen, der die Größe von Brats Füßen hatte.
Claire folgte den Spuren und überlegte, wo ihre Schwester wohl in diesem Moment sein mochte. Sie kam zu einer Tür und sah, daß der Bereich vor der Tür zu oft benutzt worden war, um Staub ansammeln zu können. Vorsichtig öffnete sie die Tür. Sie ging geräuschlos auf.
Ein Lichtstrom, der so hell wie die Sonne zu sein schien, traf sie, und sie hörte eine Stimme, die nur ihrer Schwester gehören konnte.
»Ich will nicht!« rief Brat.
Claire trat in den Raum und sah sich einer kleinen, schreiend bunt dekorierten Bühne mit vergoldetem Zierat gegenüber. In der Mitte der Bühne standen ihre Schwester in einem schockierend kurzen Kleid aus bunter Seide und ein großer, sehr dürrer, mit Lumpen bekleideter Mann. Sie drehten sich beide um, als sie Claire bemerkten.
»Was machst du denn hier noch mitten in der Nacht?« fragte Claire. »Und was für ein schockierendes Kostüm trägst du da?«
»Ich bin Salome, und ich sollte jetzt eigentlich tanzen; aber er sagt, wir hätten dafür keine Zeit.«
Der dürre große Mann machte eine großartige Verbeugung vor Claire. »Camelot J. Montgomery - zu Ihren Diensten, Madam.«
Claire sah sich im Raum mit den roten Plüschsesseln vor der Bühne um und richtete den Blick wieder auf die beiden seltsam bekleideten Gestalten. Sie öffnete den Mund zu einer Frage. Aber sie hatte jetzt keine Zeit dafür. Sie wandte sich an ihre Schwester. »Ich brauche dich.«
»Kannst du den Weg zu deinem Zimmer nicht finden?« erwiderte Brat lächelnd. »Ich verlange aber etwas für meine Führung. Und wenn wir schon von Kostümen sprechen - was trägst du denn da?«
Claire ignorierte die letzte Frage. »Ich brauche dich nicht nur als Führerin, und ich bezahle dir alles, was du verlangst.«
Brat lächelte vergnügt. »Ich sehe dich später wieder, Cammy«, rief sie über die Schulter und führte Claire in den Geheimgang.
Claire hatte keine Ahnung, wie sich Brat in diesem Labyrinth zurechtfinden konnte. Die Gänge schienen sich in alle Richtungen zu verzweigen wie ein Labyrinth; aber sie kamen schon bald bei
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