Zwischen Leidenschaft und Liebe
konnte, und Claire gab sein Lächeln zurück. »Danke«, sagte sie, und einem Impuls folgend, beugte sie sich zu ihm, um ihm einen Kuß auf die Wange zu geben. Sie wollte die Narbe auf seiner rechten Wange küssen, aber er bewegte den Kopf, so daß sie ihn statt dessen leicht auf den Mund küßte.
Als ihre Lippen sich berührten, war es, als ging ein elektrischer Schlag durch ihren Körper. Sie zog ihren Kopf sofort zurück, legte die Hand auf ihren Mund und starrte Trevelyan entsetzt an.
Trevelyan wirkte überrascht. Den Bruchteil einer Sekunde war dieser beherrschte Ausdruck verschwunden, und sie sah, daß er von dem flüchtigen Kuß genauso schockiert war wie sie.
Claire vergaß alle ihre Lügen, mit denen sie Nyssa zu beeindrucken gedachte. Sie stand auf. »Ich muß gehen«, sagte sie in einem fast flehendem Ton. »Oman, würden Sie mich liebenswürdigerweise durch die Geheimgänge zu meinem Zimmer bringen?« Claire fingerte an ihrem Rock herum. Sie mußte irgend etwas tun, um Trevelyan nicht ansehen zu müssen.
»Du brauchst nicht durch die Geheimgänge zu gehen. Ich bringe dich zum Lieferanteneingang«, sagte Trevelyan mit heiserer Stimme.
Claire wollte protestieren, schien jedoch kein Wort über die Lippen bringen zu können. Schweigend folgte sie ihm die Wendeltreppe hinunter. Sie war schon so oft mit ihm gegangen - neben ihm, hinter ihm -, aber diesmal war es so, als wäre die Luft elektrisch geladen.
Trevelyan hielt ihr die Tür auf, und sie traten in die kühle, mondhelle Nacht. Claire erschauerte und rieb sich die Arme, und warf Trevelyan einen Blick zu. Er starrte sie an. Seine Augen glichen zwei brennenden Kohlen. Sie wandte sich ab, und er setzte sich in Bewegung.
Sie folgte ihm, und während sie gingen, betrachtete sie seine hohe schlanke Figur. Sie hatte ihn einmal für zu mager, zu alt und zu krank gehalten, um ihn als hübsch bezeichnen zu können. Aber nun konnte sie sehen, daß nichts, absolut nichts an ihm mangelhaft war. In diesem Moment erschien er ihr als der schönste Mann auf Erden.
An der Hinterfront des Hauses blieb er abrupt stehen und drehte sich zu ihr um. »Geh durch diese Tür und dann durch die erste Tür rechter Hand. Dort ist eine kleine Treppe, die in den ersten Stock führt. Ich denke, von dort aus findest du den Weg zu deinem Zimmer.«
Sie nickte, und er drehte sich um.
»Trevelyan«, rief sie ihm nach.
Er blieb stehen und wandte sich ihr zu. Sie standen vielleicht anderthalb Meter voneinander entfernt, aber für Claire bedeutete diese Distanz nichts. Sie spürte seine Nähe und die Wärme seines Körpers.
»Was dort oben passiert ist. Das mit Nyssa, meine ich. Ich hätte das nicht tun sollen.«
»Was hast du denn getan?«
Seine Stimme war tief und rauh und schien kleine Schauer durch ihren Körper zu jagen. Claire versuchte zu lächeln.
»Der . . . Kuß. Er bedeutet nichts. Ich hab’ mich nur über Nyssa geärgert. Und ich wollte mir ihre lächerlichen Behauptungen nicht gefallen lassen.«
Er sagte kein Wort.
»Du willst dich dazu nicht äußern?« fragte sie ein wenig gereizt.
Er antwortete nicht.
»Ich denke, ich sollte jetzt wohl lieber ins Haus gehen.«
Er sagte noch immer nichts.
»Dann wünsche ich dir eine gute Nacht«, murmelte sie.
Mit einem knappen Kopfnicken drehte er sich von ihr weg und ging.
Obwohl sie wußte, daß es falsch war, hörte sie sich »Vellie« flüstern. Es war das leiseste Flüstern der Welt, so leise und sacht, daß der Wind in den Bäumen über ihr es vollkommen übertönte.
Aber Trevelyan hörte es. Eben noch schien er Meilen von ihr entfernt gewesen zu sein, und im nächsten Moment nahm er sie in die Arme und preßte seinen Mund auf ihre Lippen.
Lust, dachte sie. Sie hatte gehört, daß sie zu den sieben Todsünden gehörte, aber noch nie zuvor Lust empfunden. Nun, als seine Lippen auf ihren lagen, wußte sie, daß sie sich in ihm vergraben - sich in ihm verlieren wollte. Sie bewegte den Kopf, nicht ahnend, woher sie wußte, was sie jetzt tun mußte. Aber sie wußte es. Und sie spürte die Süße seiner Zunge.
Ihr Körper wölbte sich vor, als sie sich gegen ihn preßte. Ihre Brüste schmerzten, als sie gegen seine harten Rippen gedrückt wurden. Er schob seinen Schenkel zwischen ihre Beine und Claire stöhnte. Ihre Fingerspitzen fühlten sich geschwollen an und sehnten sich danach, ihn zu berühren.
Sie war sich im klaren, daß dies das einzige Mal war, wo sie ihn berühren konnte. Danach würde sie ihn nie mehr so
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