Zwischen Leidenschaft und Liebe
nah spüren. Sie konnte sich einen Fehler verzeihen, jedoch niemals zwei. Sie wollte diesen Moment genießen.
Ihre Hände bewegten sich über seinen Rücken. Wie hatte sie jemals meinen können, er wäre dürr und alt? Sie strich über seine Arme und spürte die Muskeln, tastete über seine Brust und Hüften. Dann wanderten ihre Hände noch tiefer hinunter, obwohl sie wußte, daß sie das nicht sollten. Gott mochte ihr helfen, sie wußte, das durfte nicht sein — aber ihre Hände strichen ihm über das Gesäß.
Im nächsten Moment drehte sie den Kopf von ihm weg. »Aufhören«, flüsterte sie. »Bitte, bitte - ich kann das nicht mehr ertragen.«
Trevelyan ließ sofort von ihr ab. Einen Moment standen sie sich gegenüber und sahen sich in die Augen.
Claire wußte, daß er nur auf eine Einladung von ihr wartete. Wenn sie ihn abermals berühren würde, gäbe es kein Halten mehr für sie. Das Blut rauschte in ihren Ohren, und ihr Atem kam in harten Stößen, aber sie besaß genügend Macht über sich, die Hände an den Seiten zu halten.
Und dann — nach einem langen Moment - drehte er sich um und ging davon. Diesmal rief sie ihn nicht zurück, sondern ging langsam die Treppe hinauf.
Brat schlief in ihrem Bett. Claire streckte die Hand aus, um das Kind zu wecken, zog sie dann aber wieder zurück. Der Lebensunterhalt ihrer Schwester hing von ihr, Claire, ab.
Claire setzte sich auf den Schemel vor ihren Frisiertisch und sah sich in dem großen Raum um. Dies war ein Zimmer im Hause eines Herzogs - in dem Haus des Mannes, den sie heiraten sollte, aber sie hatte einen anderen Mann geküßt und den Kuß genossen.
Und was würde geschehen, wenn sie ihren niederen Instinkten nachgab? Sie würde Harry verlieren. Ihre Eltern würden niemals die Zustimmung zu einer Verbindung mit einem Mann wie Trevelyan geben, und damit würde Claire das Geld verlieren, das ihr Großvater ihr hinterlassen hatte. Und was dann?
Claire legte das Gesicht in die Hände. Ihre Eltern waren gut zu ihr gewesen, und sie verdankte ihnen viel. Aber sie war keine Närrin. Wenn sie Harry heiratete, würde das Geld ihr zufallen und sie hätte die Kontrolle darüber. Sie konnte es anlegen und ihren Eltern eine Apanage überlassen, damit sie sich ihre Wünsche erfüllen konnten. Sie konnte eine Mitgift für ihre Schwester einplanen und dafür sorgen, daß Sarah Ann einen guten, zuverlässigen Mann heiratete - einen Mann wie Harry. Einen Mann, der Gemälde und Pferde kaufte, dachte Claire bei sich und begann zu weinen. Nun verriet sie sogar den Mann, den sie liebte, und das alles nur, weil sie einen anderen geküßt und dabei Wollust empfunden hatte.
»Was fehlt dir denn?«
Claire fuhr zusammen, als Brat die Hand auf ihre Schulter legte. »Nichts«, sagte Claire und trocknete sich die Augen. »Ich bin nur müde, denke ich. Du solltest jetzt besser in deinem Bett weiterschlafen.«
Sarah Ann rührte sich nicht von der Stelle. »Es ist Trevelyan, nicht wahr?«
»Nein, natürlich nicht. Warum sollte ich wegen Trevelyan weinen? Es ist nur die Müdigkeit. Ich möchte jetzt gern allein sein.« Claire blickte nicht auf, bis Brat das Zimmer verlassen hatte. Dann zog sie sich aus.
Nyssa empfing Trevelyan unter der Tür seines Wohnzimmers mit offenen Armen, aber er schob sie beiseite. Er nahm eine Flasche Whisky von der Anrichte, goß sich ein Glas ein und trank den Whisky wie Wasser.
»Was ist passiert?« fragte Nyssa.
»Nichts ist passiert«, schnaubte er.
Sie beobachtete ihn, als er sein Glas erneut füllte und austrank. »Es umgibt dich.«
»Was?«
»Das Begehren.«
Er maß sie mit einem kalten Blick.
»Ich kann es spüren, fast sehen: Du bist von Begehren umgeben, aber es gilt nicht mir.«
»Unsinn. Du hast dir zu viele romantische Geschichten angehört.« Er ging zu dem Tisch, auf dem einmal seine Notizen über Claire gelegen hatten. Da war nun ein Schachbrett mit Steinen aufgebaut. Er bewegte eine weiße Figur, dann eine schwarze.
»Diese Frau bedeutet dir viel.«
»Du bist verrückt. Ich sagte dir doch, daß sie Harry heiraten soll.« Er sah sie mit heißen Augen an. »Ich begehre viele Frauen. Vielleicht ist sie eine von ihnen. Sie ist nicht mehr als das.«
»Dieses Verlangen, das du für diese Frau empfindest - wie unterscheidet es sich von den Gefühlen anderen Frauen gegenüber?«
Trevelyan hob die weiße Königin an. »Würden die Gefühle für alle Frauen, die ich gehabt habe, in eines zusammenfließen, käme es dennoch nicht dem
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