Zwischen Leidenschaft und Liebe
Verlangen gleich, das ich für sie empfinde.«
Nyssa schwieg eine Weile. »Dann mußt du zu ihr gehen.«
Trevelyan wischte mit dem Unterarm über das Schachbrett und fegte die Figuren auf den Boden. »Und ihr Liebhaber werden? Soll ich sie lieben, dann zurücktreten und zusehen, wie sie Harry heiratet? Soll ich hierbleiben und warten, bis Harry aus dem Haus geht, und mich dann zu ihr schleichen?«
»Es hat dir doch noch nie etwas ausgemacht, der Liebhaber einer verheirateten Frau zu sein. Du hast selbst gesagt, daß verheiratete Frauen es dir besonders angetan haben, weil sie dir ihre Wonnen schenken und ihren Ehemännern ihr Leid.«
»Ich möchte auch ihr Leid haben«, sagte er leise.
»Was?«
»Ich möchte auch ihr verdammtes Leid!« brüllte Trevelyan. »Ich möchte alles von ihr haben. Sie ...« Er beruhigte sich ein wenig.
»Sie ist was?«
»Sie nimmt mir meine Einsamkeit. Wenn sie bei mir ist, bin ich nicht einsam.« Er starrte Nyssa eine Weile an und schenkte ihr dann ein halbherziges Lächeln. »Es gibt auch andere Frauen. Es gibt Frauen, die nicht glauben, daß der Sinn des Lebens darin besteht, eine Herzogin zu sein.«
Nyssa schnaubte: »Du gibst so leicht auf. Sie ist nicht mit Harry verheiratet, aber du benimmst dich so, als ob sie es wäre. Du wartest, bis sie zu dir kommt. Ich habe dich noch nie so erlebt. Stets bist du derjenige gewesen, der etwas unternimmt. Erinnerst du dich an die hübsche kleine Frau in dem Dorf? Du wolltest sie haben und hast ihr nachgestellt. Warum ist diese so anders?«
»Es genügt, daß diese anders ist.«
»In welcher Hinsicht ist sie anders?«
Nyssa wartete auf seine Antwort. Sie hatte viel Zeit mit diesem Mann verbracht, und sie kannte ihn gut, aber der Captain Baker, den sie kannte, und der Mann, den sie erlebt hatte, seit er zu ihr gekommen und sie aus Powells Haus herausgeholt hatte, waren nicht derselbe Mann. Der Captain Baker war ein Beobachter - ein Mann, der sich nicht engagieren wollte und sich von niemandem und nichts rühren ließ. Aber diese amerikanische Frau berührte ihn sehr. Er konnte den Blick nicht von ihr wenden. In der Kutsche hatte sie alles getan, um ihn von dieser Frau abzulenken, aber seine Aufmerksamkeit hatte stets nur Claire gegolten.
»Du liebst sie«, flüsterte Nyssa erstaunt. »Du bist in sie verliebt.«
»Ja, ich liebe sie. Ich liebe ihren Verstand und ihren Körper. Ich liebe ihren Sinn für Humor. Ich liebe ihre Gedanken. Ich liebe die Art, wie sie denkt, und das, was sie sagt.« Er gab einen Laut von sich, der eine Mischung aus Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung war. »Ich liebe selbst ihren Geruch.« Er drehte sich Nyssa zu, und zum erstenmal sah sie, was nur wenige gesehen hatten: Sie sah den kleinen Jungen in ihm. »Ich liebe sie, wie ich noch nie jemanden oder etwas geliebt habe. Würde sie meine Liebe erwidern, würde ich ihr alles geben, was sie von mir verlangt.«
Nyssa sank auf den Stuhl und wandte ihren Blick ab. Sie glaubte nicht, daß sie das Recht hatte, das zu sehen, was er ihr gerade gezeigt hatte. »Du würdest ihr sagen, daß du Harrys älterer Bruder bist?«
»Ja«, sagte er schlicht. Nun hatte er wieder das Gesicht eines Mannes, der auf der Hut war. Er schenkte Nyssa ein Lächeln - ein Lächeln, das sie tausendmal gesehen hatte und das besagte, daß ihn niemand und nichts bekümmerte. »Ah, nun, so ist das Leben. Man kann nicht immer gewinnen. Möchtest du Karten spielen oder lieber mit mir ins Bett gehen?«
Nyssa lächelte nicht. »Du solltest zu ihr gehen«, sagte sie leise. »Du solltest ihr zeigen, daß du sie liebst.« Nyssa schenkte ihm nun ein strahlendes Lächeln. »Du solltest sie dazu bringen, daß sie sich zwischen dir und deinem Bruder entscheiden muß.«
Trevelyan wollte dagegen protestieren, aber dann stellte er sein Whiskyglas ab. »Ja«, sagte er leise. »Ich werde sie zwingen, sich zu entscheiden.«
Nyssa sagte noch etwas, aber Trevelyan hörte sie nicht mehr. Er war bereits auf dem Weg nach draußen - auf dem Weg zu Claire.
20. Kapitel
Sobald Brat im Geheimgang untergetaucht war, riß Claire die Nadeln aus ihrem Haar und bürstete es, als wäre es ihr Feind.
Es ging sie natürlich nichts an, ob Trevelyan die Nacht mit einer anderen Frau verbrachte. Es war ohne Bedeutung für sie. Trevelyan war Captain Baker, und Captain Baker war ein Mann, der in der ganzen Welt für seine Abenteuer mit Frauen bekannt war.
Sie zog an den Bändern ihres Kleides, hakte das Turnürgestell los und zog
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